Das Mädchen-Buch
Friseurin im Kaufhaus – auch wenn’s schwerfällt.
Babys sind ganze Menschen
Noch mal zurück: Als wir Jana in den Armen hielten, war uns sofort klar: Dieses Wesen ist erst mal total auf uns angewiesen, es muss gefüttert, gewickelt, gestreichelt, getröstet und beschützt werden, und dafür sind zunächst mal wir zuständig. Früher hat man geglaubt, dass man Babys noch nicht so ganz für voll zu nehmen braucht, weil sie ja so vieles noch nicht können. Man dachte, sie können nur essen, schreien, schlafen und ausscheiden. Sie wurden als autistisch beschrieben und man glaubte, | 49 | dass sie von sich selbst noch gar nicht das Gefühl haben, ein eigenständiges Wesen zu sein. Heute weiß man es besser:
Wenn ein Kind auf die Welt kommt, ist schon alles da. Alle Fähigkeiten sind angelegt. Das Kind ist ein eigenständiges Wesen. Es steht von Geburt an mit seiner Umwelt in regem Kontakt. Es hat das Talent, Menschen auf sich aufmerksam zu machen und mit sich in Kontakt zu bringen und dafür zu sorgen, dass es versorgt wird. Lachen, schreien, brabbeln, »süß aussehen« gehören zu seinem Kommunikationsrepertoire. Von Anfang an haben Babys ganz unterschiedliche Gefühle, die sie äußern – wenn auch in einer für Erwachsene ungewöhnlichen Art und Weise. Schon Embryos im Mutterleib reagieren auf Geräusche. Wenn sie geboren werden, hören sie gut. (Dieses »Hören« hat übrigens nichts mit dem Befolgen elterlicher Anweisungen zu tun!) Aber sie reagieren mehr auf die Stimme der Mutter als auf die eines Fremden oder – Pech für die Väter – am Anfang auch des Vaters. Sie können sehen und lernen binnen der ersten sechs Monate, 40-mal schärfer zu sehen als bei der Geburt. Bereits kleine Säuglinge hören häufig auf zu schreien, wenn man mit ihnen in beruhigender, sanfter Stimmlage redet.
Spracherwerb
Schon mit zwei bis vier Monaten können Babys erste Laute, zunächst Vokale und später kurze Silben, formen und sie können lachen. Ab dem fünften bis zum neunten Monat folgt das sogenannte kanonische Lallen. Bekannte Silben werden verdoppelt. Eltern sind besonders entzückt, wenn ihr Nachwuchs die Silbe »Ma« oder »Pa« verdoppelt. Ab ungefähr dem zehnten Monat bilden Kinder einfache Worte und bis zum 18. Monat (manchmal dauert es auch bis zum 24.) kann ein Kleinkind ungefähr 50 Worte. Die lernt es nicht dadurch, dass es »zugetextet« wird, sondern dadurch, dass ihm jemand zuhört und mit ihm in In | 50 | teraktion tritt. Man muss als Eltern nicht besonders viele Worte in die Kinder »hineintrichtern«, damit besonders viele herauskommen.
Danach kommt die Wortschatzexplosion: Der Spracherwerb nimmt ein rasantes Tempo auf. Aber es gibt auch Kinder, die schön alles Gelernte für sich behalten, kein Wort sagen und mit zwei Jahren dann plötzlich mit einem ganzen Satz verblüffen. Passiv hatten sie die Wörter längst gespeichert, auch wenn sie sie selbst noch nicht ausgesprochen haben.
Sprache hilft
Sprache – und das ist eine unglaublich wertvolle Funktion – ist ein Instrument zur Symbolisierung von Gefühlen und Erlebnissen. Wenn Kinder über dieses Mittel verfügen, können sie Freude und genauso Schmerzen, Leid und Trauer »auslagern« und sie sozusagen von außen »betrachten«, indem sie sie in Worte fassen. Das ist ein Punkt, warum Entwicklungspsychologen sagen, dass Kinder, die ein Geschwisterkind bekommen und sich erst mal traurig, verärgert, zurückgesetzt fühlen, das besser verarbeiten können, wenn sie schon dieses Symbolisierungsinstrument zur Verfügung haben, als wenn sie noch kleiner sind und nicht sprechen können. Einfach weil sie ihrem Ärger Luft machen können und eine bessere Möglichkeit haben, ihn zu verarbeiten. Mit anderen wichtigen Ereignissen verhält es sich genauso.
Noch ein Irrtum
Manche Erwachsene glauben, dass kleine Kinder, solange sie noch nicht selber sprechen können, noch nicht verstehen, was die Erwachsenen sagen. Und so besprechen sie ungeniert auch | 51 | verletzende, respektlose, demütigende Dinge oder Probleme, die ein Kind überfordern, in seinem Beisein. Es ist zwar nicht leicht zu sagen, was genau und wie die Kleinsten verstehen, aber eins ist klar: Sie verstehen, sie bekommen etwas mit und das hat eine Wirkung. Die französische Psychoanalytikerin Caroline Eliacheff, Nachfolgerin der bis heute bekannten französischen Psychoanalytikerin Françoise Dolto im Säuglingsheim des Pariser Vororts Antony, erzielt bei Säuglingen und kleinen Kindern
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