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Das Mädchen-Buch

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Titel: Das Mädchen-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Raffauf
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die Fettleibigkeit. Viele Übergewichtige essen aus Kummer und essen sich im wahrsten Sinne des Wortes einen Schutzring an.
Essstörungen: Warum?
    »Man selbst findet sich immer zu dick – selbst wenn man nur so ein ganz klein bisschen Speck hat, meint man, das muss weg.«
    ALEXA, 12 JAHRE
    Es gibt viele Gründe, warum ein Mädchen eine Essstörung entwickelt. Grundsätzlich können wir davon ausgehen, dass eine Essstörung immer der Versuch ist, ein Problem zu lösen. Wenn auch ein Versuch, der scheitert. | 209 |
Junge Mädchen suchen nach ihrem Stand in der Welt, sie sind offen und beeinflussbar. Sie sehen, dass es zum gesellschaftlichen Ideal eines perfekten Mädchens gehört, schlank zu sein. Schlankheit wird verbunden mit Leistung, mit Schönheit, mit Anerkennung, mit Erfolg, und da wollen sie dabei sein.
Essstörungen beginnen häufig mit der Pubertät. Wenn Mädchen zu wenig essen, bleibt ihre Periode aus oder sie entwickelt sich erst gar nicht. Eine Magersucht kann eine Weigerung sein, erwachsen, fraulich, ein sexuelles Wesen im erwachsenen Sinne zu werden. – Warum? Manche Mädchen haben Angst davor. Sie sehen nicht, welche Vorteile das haben soll. Vielleicht haben sie kein positives Beispiel. Vielleicht hadert auch ihre Mutter mit ihrer Weiblichkeit oder sie gibt ein Vorbild ab, das die Tochter nicht erstrebenswert findet, weil sie sich selbst nicht mag oder weil sie vom Vater runtergemacht wird. Vielleicht spürt sie einen Druck auf sich zukommen, der ihr nicht erstrebenswert erscheint.
    Mädchen mit Essstörungen sind nicht selten »Träger einer Familienkrankheit«. In der Familie gibt es Probleme, Trennungen, Streit zwischen den Eltern, finanzielle Sorgen, ein oder beide Elternteile übertragen ihre Ängste, ihre Unzufriedenheit oder ihren Leistungsanspruch auf die Tochter. Sie wird »überbehütet«, an ihr wird rumgenörgelt oder sie wird nur nach Schulnoten »bewertet«. Sie hat es schwer, sich abzugrenzen und sich selber zu entwickeln. Sie erhält wenig Anerkennung dafür, dass sie so ist, wie sie ist.
    Faktoren aus der Familiengeschichte können eine Rolle spielen. Etwa dass ein nahes Familienmitglied an einer psychischen Krankheit, wie z. B. Depressionen oder starken Ängsten, leidet. Es kann auch die eigene Geschichte sein, dass z. B. schon Probleme beim Füttern als Baby aufgetaucht | 210 | sind und das Essen mit »Stress« bei Mutter oder Vater und Kind verbunden war.
Bei Mädchen mit Migrationshintergrund könnten Gründe für die Essstörung darin liegen, dass sie sich mit westlichen Normen und Werten überidentifizieren oder dass ihnen die Anpassung hier aus verschiedenen Gründen großen Stress bereitet.
    Die Vorstellung vom Übergewicht
    44 % aller jungen Frauen sind der Meinung, dass sie zu viele Pfunde auf den Knochen haben. 96
    Für viele junge Mädchen bedeutet Essen nicht nur Nahrungsaufnahme. Der Körper verändert sich und sie möchten das beeinflussen. Vor allem, wenn sie das Gefühl haben, durch die Eltern ständig kontrolliert zu werden, beziehen sie ihre Einwirkungsmöglichkeit auf die Körperausmaße: »Über das Essen kann ich steuern, wie dick oder dünn ich bin. Das ist etwas, bei dem ich wirklich selbst bestimmen kann, was läuft. Diese Kontrolle habe ich und das werde ich so gestalten, wie ich es will. Ich bestimme, was ich zu mir nehme oder was ich in mir halte.« So trifft die Magersucht besonders Mädchen, die wenig Raum haben, sich auf anderen Gebieten selbstständig zu entfalten.
Immer jünger
    Eigentlich hätte das Thema Essstörungen schon im vorigen Kapitel stehen können. Denn die Magersucht geht immer früher los. In dem Maße, in dem es schon für sehr junge Mädchen wichtig wird, schön und schlank zu sein, haben auch die | 211 | »Nebenwirkungen« der Schönheitssucht zugenommen. »Schon Fünfjährige leiden an Magersucht«, fanden britische Forscher der Londoner Universität UCL heraus. 97
    Vor nicht allzu langer Zeit hatten wir in der Beratungsstelle ein 9-jähriges magersüchtiges Mädchen in der Gruppe für Kinder, deren Eltern sich getrennt haben. Maria war sehr unglücklich darüber, dass ihr Vater sich wenig für sie interessierte, und ihre Mutter war so mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt, dass sie Marias Not nicht sehen konnte. Ihr Bruder drangsalierte sie. Maria fühlte sich allein, desorientiert und übersehen. Maria funktionierte – in der Schule hatte sie gute Noten. Um Sicherheit für sich zu bekommen, fing sie an, ihre Mutter, ihren

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