Das Mädchen-Buch
lassen, signalisieren sie ihrem Kind: »Du bist nicht allein verantwortlich. Wir machen auch etwas dafür, dass du wieder gesund wirst. Wir sind an deiner Seite.«
Eltern sind Modell Wie essen Sie selbst? Stehen Sie nur in der Küche, wenn die Familie isst, und vermeiden es, sich selber in Ruhe hinzusetzen und am Essen teilzunehmen? Reden Sie häufig darüber, dass Sie sich zu dick finden, oder machen Sie häufiger Diäten? Das alles nimmt Ihre Tochter wahr und sie nimmt es als Vorbild.
Essverhalten in der Familie
Wenn Sie schon Anzeichen bemerkt haben, dass Ihre Tochter sich in Bezug auf Essen »anders« verhält, fällt es schwer, keine Kommentare beim Essen zu machen und die Kinder nicht zu kontrollieren, sondern sie einfach zu lassen. Ein Gespräch über das Essverhalten sollte man sowieso nicht beim Essen führen. Das Essensritual in der Familie sollte eine Oase der Entspannung sein, in der jeder in Ruhe essen kann und selber entscheiden kann, ob er noch mehr möchte oder nicht.
Es geht um Selbstbestimmung Vielleicht braucht ihre Tochter Bereiche, in denen sie mehr Freiheit hat. Vielleicht braucht sie mehr Anerkennung und mehr Mitsprache bei der Aufstellung von Regeln, die sie betreffen. Überprüfen Sie, wo Sie zu viel kontrollieren und wo Sie locker lassen können. | 215 |
Professionelle Beratung Wenn Sie sich Sorgen machen, sprechen Sie Ihre Tochter an. In einem ruhigen Gespräch reden Sie von sich und hören Sie, ob es etwas gibt, das sie bedrückt, dass sie sich so aufs Essen fixiert. Machen Sie ihr keine Vorwürfe und ermuntern Sie sie, mit Ihnen zu einer Beratungsstelle oder zu einer Ärztin zu gehen, die sich mit psychosomatischen Krankheiten auskennt. In Gesprächen mit »Profis« können Ursachen geklärt werden und falsche Kaloriennahrung durch richtige Seelennahrung ersetzt werden. So bietet die »Störung« auch eine Chance, eine Familiendiskussion anzustoßen, die seit Langem ansteht und deren Klärung für die ganze Familie hilfreich ist.
Diät
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ermittelte: 18 % der Mädchen ab 12 Jahren haben bereits eine Diät durchgeführt.
Körperschmerz gegen Seelenschmerz
Vera trug seit einiger Zeit immer langärmelige Pullover oder T-Shirts, auch im Sommer – egal, wie heiß es war. Schon zweimal ist ihrer Freundin Carla aufgefallen, dass sie den Unterarm verbunden hatte. Ihre Katze habe sie gekratzt, hat sie ihr erklärt. Carla fand es komisch, aber Vera war schon seit einiger Zeit komisch – genauer gesagt, seit ihre Eltern sich getrennt hatten. Da wusste sie nicht mehr ein noch aus. Sie fühlte sich ohnmächtig vor Schmerz, hat sich im Bad eingeschlossen und die Nagelschere hervorgeholt. Sie hatte Angst, aber der Schnitt hat gutgetan. Als das Blut floss, konnte sie aufatmen. Später hat sie es immer wieder so gemacht, wenn der innere Druck kam, | 216 | nahm sie eine Schere, ein Messer, einen Kronkorken, Scherben gingen auch. Das entlastete – erst mal – Körperschmerz gegen Seelenschmerz.
Für manche Menschen ist es unvorstellbar. »Wie kann man so etwas machen?«, fragen sich Freundinnen oder Eltern. »Das ist doch bescheuert«, »Sie will nur Aufmerksamkeit«, »Das ist verrückt«, wenden sich manche verständnislos, vielleicht auch angstvoll ab.
Aggressionen gegen sich selbst gerichtet
Mädchen wenden ihre Aggressionen eher gegen sich selbst.
In einer Studie der Universitätsklinik Heidelberg klagt ein Drittel der Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren über depressive Stimmungen. 8 % haben schon mal versucht, sich umzubringen. 6 % trinken wöchentlich oder häufiger Alkohol. Im Vergleich zu 12 % der Jungen. Ein Drittel aller Schülerinnen hat sich schon einmal absichtlich verletzt. Rund 18 % der Mädchen und 8 % der Jungen schneiden sich regelmäßig selbst in die Haut. 98
»An meiner Schule gibt es wahrscheinlich 50 %, die sich selber schneiden. Nicht viele von ihnen zeigen das. Es ist wirklich traurig. Es sind deine Stimmungsschwankungen. Du kriegst Druck von deiner Familie, hast Streit mit deinen Freunden, dann denkst du, es ist alles dein Fehler.«
LILLY, 13 JAHRE 99
Es ist nicht so, dass Ritzen nur eine »Modeerscheinung« ist, wie manche gerne glauben würden. Wenn jemand mit dem Messer gegen sich selbst vorgeht, seine eigene Körpergrenze überschreitet, macht er das nicht zum Spaß. Es ist ein Hilfeschrei – | 217 | manchmal versteckt unter langärmeligen Pullovern, manchmal ganz offen. Aufmerksamkeit, ja,
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