Das Mädchen-Buch
das ist richtig, es geht um Aufmerksamkeit und die ist notwendig. Die anderen sollen herschauen, sie müssen herschauen und sie müssen helfen. Menschen, die sich ritzen, geht es nicht gut. Sie sind verzweifelt. Sie wissen keinen Ausweg mehr. Die Trennung der Eltern, Probleme in der Familie, das Mobbing in der Schule, Gewalt oder sexueller Missbrauch sind häufig Gründe dafür, dass sie das tun. Sie fühlen sich zerrissen und sie geben sich selbst die Schuld für ihre Lage. Sie bestrafen sich selbst. Und das funktioniert – für eine kurze Weile jedenfalls. Denn der Körper schüttet während der Verletzung Endorphine, also Glückshormone aus. Sie unterdrücken kurzzeitig den Schmerz. Danach fühlen sich die Mädchen dumpf und leer.
Manche richten die Wut gegen sich, indem sie sich die Wimpern ausreißen, ihre Hand auf die Herdplatte legen oder mit dem Kopf gegen die Wand schlagen.
Coach
Manche Eltern reagieren entsetzt und machen ihren Kindern Vorwürfe: »Wie kannst du so etwas machen?« Oder: »Wie kannst du uns das antun?« Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass es nicht die Absicht der Mädchen ist, ihren Eltern etwas antun zu wollen. Wenn Eltern bemerken, dass ihre Tochter sich anders verhält, dass sie häufig traurig ist, sich zurückzieht, immer langärmelige Pullover trägt, sich ständig an den Armen kratzt und dafür Mückenstichen die Schuld gibt, können das Signale sein.
Nicht selten ritzen sich Mädchen über Monate, manchmal sogar Jahre, bevor es bemerkt wird. Wenn Sie feststellen, dass Ihre Tochter sich auffällig verhält, sprechen Sie sie an. Fragen | 218 | Sie ganz direkt: »Was hast du an den Armen?«, aber machen Sie ihr keine Vorwürfe. Probieren Sie, möglichst ruhig zu reagieren und zu hören, was ist. Wenn sie sich zurückzieht, lassen Sie sich nicht abhalten und seien Sie, nicht gekränkt, probieren Sie es wieder. Auf jeden Fall sollte man das Ritzen ernst nehmen und Experten, Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychiater um Rat fragen.
Trinken
»Mama, um acht kommen ein paar Leute zum Vortrinken«, eröffnet Lisa ihrer Mutter. Heute Abend ist große Party, getrunken wird vorher. »Weil es billiger ist«, erklärt Lisa. »Und warum müsst ihr überhaupt trinken?« »Weil es dann lustiger ist.« So einfach ist das.
Alkohol trinken, um lustiger zu sein, ist ein Grund, warum Jugendliche trinken. »Um Spaß zu haben«, »Weil es alle machen«, ein anderer. Manche Mädchen wollen sich Mut antrinken, um lockerer zu werden, auch gegenüber Jungs. Andere trinken, weil sie Kummer haben. Sie trinken gegen ihre Traurigkeit, darüber, dass sie zu Hause oder in der Schule abgewertet werden, dass sie sich einsam fühlen, dass sie in der Schule keine Erfolge haben, dass sie sich nicht verstanden fühlen.
Jugendliche müssen ihr Verhältnis zum Thema Alkohol und Drogen ausloten. Das ist normal. Sie wollen wissen: Wie geht das, wenn man was merkt? Was passiert im Kopf? Was erlebt man? Wie viel vertrag ich? Mag ich das überhaupt? Hilft es mir vielleicht sogar als Mutmacher oder Trostspender? Kann ich damit Grenzen überschreiten? | 219 |
»Die Erfahrung mit Alkohol ist Teil unserer Entwicklung und trägt dazu bei, die eigenen Grenzen zu erkennen.«
KATRIN, 18 JAHRE
Wenn man Diskussionen über das Thema Alkohol und Jugend hört, dann schwanken die Meinungen zwischen »So’n Rausch ist doch nicht so schlimm – die müssen doch schließlich ihre Erfahrungen machen« und »Alkohol ist gefährlich, die Hauptdroge unserer Gesellschaft«. Schaut man sich Statistiken an, klingt das so:
Alkoholkonsum
Knapp 6 % aller Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren trinken wöchentlich oder häufiger Alkohol. Diese Zahl ist rückläufig.
Nicht rückläufig ist die Zahl derjenigen, die einfach zu viel trinken. Seit 2000 stieg die Zahl der Kinder und Jugendlichen im Alter von 10 bis 19 Jahren an, die wegen akuten Alkoholmissbrauchs stationär im Krankenhaus behandelt wurden. 100 2011 waren es 354 mehr als im Vorjahr. Bei den 10- bis 14-Jährigen sind 52 % Mädchen. 101 Ab da holen die Jungen auf. Fast zwei Drittel der ab 15-Jährigen sind Jungen und junge Männer.
»Zehn ›Feiglinge‹ hat meine Tochter mit ihrer Freundin geleert«, erzählt eine Mutter. »Komasaufen«, »Flatrate-Partys« und »Binge-Drinking« sind neue Begriffe. »Binge« das heißt: »Trinken, bis man in die Gosse kippt«. Drogenberater beobachten seit einiger Zeit, dass junge Mädchen häufiger als Jungen volltrunken ins
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