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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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ihn brutal und versetzte ihm einen Stoß, dass er auf dem dreckigen Boden des Bootes hinschlug. »Was hast du dir denn dabei gedacht, Dummkopf?«, fuhr er ihn an. Dann gab er seinem Begleiter einen Wink, er solle an die Ruder gehen, und wenig später legten sie an der Fondamenta degli Ormesini an.
    Eine kleine Gruppe schaulustiger Christen drängte sich bis an die hellen Quader aus istrischem Kalkstein, die die Ufer des Rio di San Girolamo gegenüber dem Ghetto Nuovo begrenzten. Auch ihre Augen waren nur auf das geschlossene Tor gerichtet. Und selbst diejenigen, die sonst keinen Hehl aus ihrer Verachtung für die Juden machten, wirkten bestürzt und entsetzt, als könnten nicht einmal sie glauben, dass es so weit gekommen war.
    »Guter Gott«, sagte eine Frau, die ihre Tochter an der Hand hielt, und bekreuzigte sich. »Wir haben sie eingesperrt wie Vieh.«
    Einer der Wachleute verließ das Boot und bahnte sich, Mercurio im Schlepptau, seinen Weg durch die Menge zu einem plumpen rötlichen Gebäude. Der Mann öffnete die Tür und stieß den Jungen in ein bedrückend wirkendes Zimmer mit niedriger Decke, in dem es nach Wein stank. »Hauptmann, wir haben diesen Jungen erwischt, als er laut schrie, dass er ein Mädchen aus dem Ghetto befreien will. Vielleicht ist er ja Jude.«
    Der Hauptmann blickte von seiner Weinflasche auf. Man sah ihm an, dass er Schwierigkeiten hatte, den Gefangenen zu erkennen. Doch dann entspannte sich sein angestrengtes Gesicht, und er lachte laut auf. »Der halbgare Priester!«, rief er.
    Mercurio erwiderte lächelnd den Blick des Hauptmanns.
    »Lass uns allein, Serravalle«, befahl Lanzafame dem Wachmann.
    Dieser nickte, verließ den Raum und schloss die Tür.
    »Setz dich, halbgarer Priester«, sagte Lanzafame, dessen Laune sich schlagartig gebessert hatte, und deutete auf einen dreibeinigen Schemel am Tisch. »Trink mit mir«, forderte er ihn auf und hielt ihm eine Flasche hin.
    »Nein danke, ich trinke nicht.«
    »Du wirst mit mir trinken, Junge. Aus Höflichkeit.«
    Mercurio führte die Flasche an den Mund und hielt sie schräg, als würde er trinken, doch er verschloss die Öffnung mit der Zungenspitze, sodass kein Wein fließen konnte. Er tat so, als würde er schlucken, und gab dem Hauptmann die Flasche zurück.
    Lanzafame grinste ihn an. »Genauso habe ich es bei meinem Vater gemacht, als ich klein war und er mich zum Trinken zwingen wollte«, sagte er und schüttelte traurig den Kopf. »Hätte ich es doch nur weiter getan.«
    »Ihr irrt Euch, Hauptmann, ich habe getr …«
    »Halbgarer Priester«, unterbrach ihn Lanzafame und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ich akzeptiere, dass du nicht trinkst. Ich habe sogar darüber gelacht. Aber vergelte es mir nicht, indem du mich für dumm verkaufst, sonst werde ich wütend.«
    »Verzeiht mir«, sagte Mercurio und schaute verlegen zu Boden.
    »Gut so«, erwiderte Hauptmann Lanzafame, setzte die Flasche an und trank sie leer. »Serravalle!«, schrie er dann.
    Die Wache erschien in der Tür. Der Mann hatte langes kastanienbraunes Haar, das sich um sein rundes, von einem Spitzbart verlängertes Gesicht lockte. Seine hellen, lebhaften Augen erkannten sofort, wonach der Hauptmann verlangte. Er öffnete den Schrank links von der Tür, holte eine Flasche heraus und entkorkte sie mit seinem Messer. Dann verließ er den Raum.
    »Er war ein guter Soldat. Einer der besten. Und jetzt bewacht er die Juden«, brummte Lanzafame wütend und sah Mercurio mit leeren Augen an.
    »Ich wusste nicht, dass Ihr diesen Trupp befehligt«, sagte Mercurio, um das Schweigen zu brechen.
    »Trupp?« Lanzafame tauchte wieder aus seinen Gedanken auf. »Auch die Cattaveri nennen es so. Aber ganze acht Männer, vier zu Fuß und vier zu Schiff, sind kein Trupp. Und kein Trupp Soldaten würde eine Gruppe unbewaffneter Juden bewachen. Warum auch? Damit sie nachts nicht rausgehen?« Lanzafame nahm einen Schluck aus der neuen Flasche. »Morgens öffnen wir die Tore, und die angeblichen Gefangenen gehen, wohin sie wollen … und die Christen betreten das Gebiet, leihen sich Geld und treiben Handel mit ihnen … Und warum das Ganze? Weil die Christen Angst vor der Nacht haben, Junge. Wie die kleinen Kinder. Diese Posse wird nicht lange dauern.«
    Mercurio nickte stumm, er wusste nicht, was er sagen sollte.
    »Wo ist dein Talar?«, fragte ihn der Hauptmann.
    »Hab ich verloren.«
    »Nun, Gott wird mir verzeihen, wenn ich sage, dass mir das nicht leidtut. Ich habe es sowieso für

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