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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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inzwischen fast ihr Heim in der Calle de l’Oca erreicht, als sie den Trommelwirbel vernahmen und dann die ferne Stimme eines Heroldes der Serenissima, der etwas bekannt gab.
    »Es tut mir leid, meine Tochter«, sagte Isacco und blieb stehen. »Es tut mir leid für dich, es tut mir leid, dass du mich in diesem erbärmlichen Zustand gesehen hast, und es tut mir leid wegen …«
    Giuditta umarmte ihn und brach in Tränen aus.
    Am Ende der Gasse hörten sie wieder den Trommelwirbel, und eine laute Stimme verkündete: »Heute, am neunundzwanzigsten Tag des Monats März im Jahre des Herrn 1516, wird verkündet und angeordnet, dass alle Juden gemeinsam in dem Komplex von Häusern wohnen müssen, die sich im Ghetto bei San Girolamo befinden …«
    Giuditta und Isacco sahen sich wortlos an.
    »… und damit sie nicht die ganze Nacht umhergehen, wird verkündet und angeordnet, dass an der Seite des Ghetto Vecchio, wo sich die kleine Brücke befindet, und gleichermaßen an der anderen Seite der Brücke zwei Tore zu errichten sind, je eines für die beiden genannten Orte. Jedes Tor muss morgens beim Klang der Marangona-Glocke geöffnet und abends um punkt Mitternacht durch vier christliche Wachen zugesperrt werden, die dafür von den Juden angestellt und bezahlt werden zu dem Preis, der unserem Rat angemessen und genehm erscheint. Zudem müssen sie auch zwei Boote mit jeweils zwei Mann darauf bezahlen, die ununterbrochen die Kanäle um diese Gegend befahren werden …«
    Giuditta und Isacco verharrten wie gelähmt in ihrer Umarmung, als die Trommler und der Herold an ihnen vorbei ihren Weg fortsetzten. Zwei junge Kerle brachten an einer Hauswand die Bekanntmachung an, die soeben verlesen worden war.
    »Anselmo del Banco hat recht gehabt …«, bemerkte Giuditta.
    »Die stecken uns in einen Käfig«, sagte Isacco.
    »Und wo soll ich jetzt hin?«, fragte Donnola.
    Benedetta lief ziellos umher, bis ihr bewusst wurde, dass sie irgendwie in die Calle del Sturion gelangt war, wo Mercurios Worten nach Zolfo nun mit dem Mönch lebte.
    In der Ferne hörte man die Trommeln. Die ganze Stadt hallte von diesem rhythmischen Schlagen wieder. Die Luft über Venedig erzitterte.
    »… und es sollen zwei hohe Mauern errichtet werden, damit sämtliche Ausgänge verschlossen sind. Türen und Fenster, die auf die Kanäle gehen oder aus dem sogenannten Ghetto hinausführen, sollen zugemauert werden …«, verkündete ein Herold in der Ruga Vecchia San Giovanni.
    Benedetta lief langsam die Calle del Sturion entlang und suchte das Haus, in dem sie Zolfo finden würde. Jetzt hatte sie nur noch ihn, sagte sie sich.
    Und während sie vorwärtslief, sah sie, wie sich eine hohe Tür öffnete und eine verkrüppelte Gestalt heraustrat. Ein Schauder lief ihr den Rücken hinab, und ein Gefühl der Angst ergriff sie, als ob eine Hand sie bei den Haaren packte und sie nach unten zerrte, in die schwärzeste Finsternis ihrer Vergangenheit. Sie verspürte ein schmerzvolles Ziehen im Unterleib, presste die Schenkel zusammen und hielt den Atem an. Ihr stockte das Herz, als müsste sie sterben.
    Benedetta presste den Finger auf die Wunde, die sie sich selbst mit der Nadel beigebracht hatte. Das Blut rann ihr über die Hand, es brannte furchtbar. Und ihr wurde bewusst, dass sie gefunden hatte, wonach sie gesucht hatte. Alles, was sie haben konnte. Sie fühlte sich so schmutzig, wie sie sich fühlen wollte. Kurz entschlossen verbeugte sie sich vor der eleganten, verkrüppelten Gestalt.
    »Guten Abend, Fürst«, sagte sie und senkte den Kopf.
    »Wer bist du?«, fragte Fürst Contarini in der dunklen Gasse.
    »Eure demütige Dienerin, Euer Hochwohlgeboren.«
    »Ach, die jungfräuliche Magd …«, sagte der Fürst erfreut und sah Benedetta aufmerksam an. Dann streckte er eine Hand aus und berührte eine ihrer Locken. »Diese Farbe …«, sagte er leise und verstummte.
    »Benedetta!«, rief Zolfo aus, der mit einem schweren Bündel aus dem Haus kam. »Stell dir vor, wir leben jetzt im Haus des Fürsten!«
    Contarini sah ihn an, er lächelte und wandte sich wieder Benedetta zu. »Ja, und da ist auch noch Platz für dich«, sagte er und schnalzte mit der Zunge, als hätte er ein köstliches Gericht vor sich stehen.
    In der Zwischenzeit hatte das Boot, das Mercurio genommen hatte, sanft klatschend an der Mole des Fischmarktes angelegt. Mit einem geschickten Sprung ging er an Land und lief dann davon, ohne dem Gondoliere zu danken. Schon während der Überfahrt hatte er kein

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