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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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jetzt nichts, mein kleines Mädchen.«
    Sie hielten einander schweigend umfangen, Isacco versunken in seinen Schmerz und die Schuldgefühle, die er zum ersten Mal zugeben konnte, und Giuditta vertieft in die Gedanken an ihren Vater, der so anders war, als sie immer geglaubt hatte. Weil er ein Scharlatan und Betrüger war. Und weil er sie nicht für den Tod ihrer Mutter verantwortlich machte.
    »Vater …«, versuchte es Giuditta nach einer langen Weile wieder.
    »Schschsch … du musst nichts sagen.«
    »Doch, das muss ich, Vater.«
    »Dann tu es.«
    »Die Mücken hier fressen mich bei lebendigem Leib auf.«
    Isacco löste sich aus der Umarmung. »Du siehst aus wie deine Mutter, aber ansonsten bist du wie ich«, sagte er und sah sie lächelnd an. Dann umarmte er sie noch einmal und sagte: »Los, gehen wir. Wir benehmen uns wie zwei Mädchen.«
    »Aber ich bin doch eins!«
    »Ach, stimmt ja!«, sagte Isacco, lachte wieder und drückte ihr den gelben Hut in die Stirn. »Gib Acht, wo du hintrittst, Landplage.«
    Die Sonne war gerade untergegangen, als sie ein niedriges Bauernhaus entdeckten, aus dessen Schornstein dichter Rauch aufstieg. Auf der Vorderseite prangte das grobe, rissige Bild eines Aals, der eher wie ein Meeresungeheuer aussah. Die Tür des Hauses war geschlossen.
    Isacco blieb stehen und sah Giuditta an. »Glaub mir, ich würde dich für keinen Sohn dieser Welt eintauschen«, sagte er unvermittelt.
    Giuditta errötete.
    »Oh nein, nicht schon wieder!«, rief Isacco aus.
    Giuditta errötete noch tiefer.
    »Ich weiß nicht, ob ich das aushalte«, brummte Isacco.
    Aus der Ferne läutete es zur Vesper.
    Nun komm, lass uns hineingehen.« Isacco klopfte und öffnete die Tür.
    Vater und Tochter wurden von einem angenehm lauen Luftzug empfangen. Drinnen roch es nach Essen und Stall. Der große Raum, den sie betreten hatten, war zur Hälfte für die Gäste bestimmt, die andere, durch eine niedrige Mauer und ein Holzgatter abgetrennte Hälfte wurde als Stall genutzt, in dem zwei Milchkühe und ein Esel standen. Die Decke hing bedrückend tief über ihnen, und es gab nur winzige Fensteröffnungen. Auf dem langen, aus groben Brettern gezimmerten Tisch in der Mitte des Zimmers erhellte eine Öllampe aus minderwertigem Metall den Raum. Sie bestand nur aus einem Behältnis, das als Tank diente, und einem Docht, der zwischen zwei längst trüb gewordenen Quecksilberspiegeln brannte. Weiter hinten brannte eine größere, aber genauso schlichte Lampe, die von einem Deckenbalken herabhing. Der übrige Teil des großen Raumes lag praktisch im Dunkeln.
    An dem Tisch saßen zwei Gäste, die mit leerem Blick auf den Weinkrug starrten, der vor ihnen stand. Sie drehten sich zu den Neuankömmlingen um, und das schien sie so weit zu beleben, dass sie einen weiteren Schluck aus ihren Tonbechern nahmen. Dann starrten sie wieder dumpf vor sich hin. Einem der beiden fielen beinahe die Augen zu, und sein Kopf sank schwer herunter.
    »Guten Abend, gute Leute«, sagte Isacco laut, um die Aufmerksamkeit des Wirts zu erregen, wo auch immer der sich aufhalten mochte.
    Aus dem oberen Stockwerk hörte er ein Stöhnen, das immer lauter wurde, um schließlich in einem Schrei zu enden. Eine Kinderstimme. Kurz darauf verstummte der Schrei.
    »Guten Abend, gute Leute«, wiederholte Isacco in Richtung des oberen Stockwerks.
    Man hörte, wie eine Tür sich öffnete und wieder schloss, dann erschien am Geländer eine zwar noch junge, aber von den Mühen des Alltags gezeichnete Frau. Ihr Blick wirkte sorgenvoll. Sie hielt eine geschlossene Laterne mit einem Talglicht in der Hand.
    »Guten Abend, gute Frau«, sagte Isacco. »Wir sind Reisende und würden gern die Nacht hier verbringen und eine warme Mahlzeit zu uns nehmen, wenn das geht.«
    Die Wirtin stand da und starrte sie an, als würde sie dabei an etwas ganz anderes denken. Dann sagte sie mit tonloser Stimme: »Das kostet einen halben Silbersoldo.«
    »Einverstanden«, antwortete Isacco.
    »Aber ich habe nichts zu essen«, fügte die Frau hinzu. »Nur Brot und Wein.«
    »Dann wird uns das genügen.«
    Die Wirtin nickte wortlos, ohne sich von der Stelle zu bewegen. Dann ertönte erneut ein Stöhnen, das sich diesmal jedoch nicht zu einem Schrei erhob. Die Frau drehte sich um, legte sich eine Hand an den Mund und wirkte nun noch besorgter als vorher. Sie stieg die Treppe aus einfachen, gehobelten Holzbrettern hinab, öffnete einen Schrank im hinteren dunklen Teil des Raums, holte einen in ein grobes

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