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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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venezianischen Gesandten … oder besser gesagt des Bailo, denn so wurde er dort genannt. Ich habe diese glorreichen Zeiten ja nie erlebt … schließlich wurde ich erst 1470 geboren, als die Türken die Insel eroberten und die Venezianer vertrieben. Mein Vater wurde nicht getötet. Die Türken gestatteten ihm sogar, weiter als Arzt zu arbeiten, aber nur im Inneren der Insel, wo die armen Leute lebten, zumeist Hirten. Und er passte sich den Umständen an … während er innerlich vom Groll und der Sehnsucht nach seinem früheren Leben vergiftet wurde. Er war der stolzeste, arroganteste Mann und der größte Sturkopf, den es je gegeben hat …« Isacco hielt inne. »Erinnert dich das nicht an jemanden, den du kennst?« Und im Gedanken an sich selbst lächelte er traurig.
    Schüchtern streckte Giuditta die Hand nach dem Rücken ihres Vaters aus. »Nein.«
    Isacco war gerührt, und er fühlte, wie sich die Wärme von der Stelle, auf die Giuditta ihre Hand gelegt hatte, in ihm ausbreitete. »Jahrelang ließ er meine Mutter und meine drei Brüder in einer heruntergekommenen Hütte wohnen, zusammen mit zwei Ziegen, die uns ihre Milch gaben. Die Leute, die er heilte, hatten nichts, um ihn zu bezahlen. Am Abend sprach er immer nur von Venedig, von all dem Gold dort, der überlegenen Kultur, von Brokatstoffen und kostbaren Gewürzen. Er lehrte uns auch, Venezianisch zu sprechen … dieser verdammte Idiot. Er zog nun Zähne, schnitt Abszesse heraus, brachte Kinder und Lämmer zur Welt, kastrierte Vieh und amputierte den Menschen entzündete Gliedmaßen. Er wurde praktisch ein Barbier, ein Feldscher. Er, der berühmte Arzt des Gesandten von Venedig. Und er nahm mich mit … weil er sagte, ich sei der einzige seiner Söhne, der sich nicht vor dem Anblick von Blut fürchtete. Und dann fügte er verächtlich hinzu … Dieser verdammte Bastard, er sagte immer denselben Satz, und zwar zu jedem Patienten, den er behandelte: ›Mein Sohn hier fürchtet sich nicht vor Blut, weil er kein Gewissen hat.‹ Und weißt du auch, warum? Weil er herausgefunden hatte, dass ich versuchte, so gut wie möglich durchzukommen, und mich am Hafen herumtrieb, wo ich Essen für meine Mutter holte, es manchmal auch stahl, weil sie immer schwächer wurde. Er dagegen ging nie einen Kompromiss ein. Der vornehme Herr Doktor, Arzt des Gesandten von Venedig … dieser verdammte Bastard …«
    Giuditta kam noch näher an ihn heran, schlang von hinten ihre Arme um ihn und lehnte ihren Kopf an den knochigen Rücken des Vaters.
    Isacco presste die Lippen zusammen und runzelte die Augenbrauen in dem Versuch, die Tränen der Wut zurückzuhalten, die unbedingt hinauswollten. »Eines Tages bin ich dann gegangen. Da war ich schon dreißig Jahre alt und hatte gerade die Legende von der Heiligen und dem Qalonimus erfunden. Und ich bin deiner Mutter begegnet. Ein Vater wie mein eigener hatte sie aus dem Haus getrieben. Sie war die einzige Frau, die ich in meinem ganzen Leben verstanden habe, kannst du dir das vorstellen? Vielleicht verstand ich sie so gut, weil ich wusste, was in ihr vorging. Und ein Jahr später sollte sie unsere Tochter zur Welt bringen … dich. Aber etwas lief falsch bei der Geburt. Die Hebamme …« Isacco sank in sich zusammen. »Oh Herr des Universums, hilf mir, das zu ertragen!«
    Giuditta hielt ihn fest in ihren Armen und ging mit ihm in die Knie.
    »Wie sollte denn ein unschuldiges Neugeborenes die eigene Mutter töten?«, sagte Isacco mit gebrochener Stimme. »Nicht einmal, wenn es das wollte. Wie kommst du nur auf so etwas, mein Kind? Ich dagegen … ich habe ihr nicht helfen können … obwohl ich glaubte, ich hätte alles von diesem verdammten großartigen Leibarzt des Gesandten gelernt … Ich bin für ihren Tod verantwortlich. Wenn jemand dafür verantwortlich ist … dann ich …« Isacco richtete sich auf und fand nun endlich die Kraft, sich seiner Tochter zuzuwenden. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände. »Ich habe mir selbst eingeredet, ich wäre immer unterwegs und nie zu Hause, weil ich ein so schweres Leben hatte …« Isacco lächelte wehmütig. »Das habe ich dir auch gerade eben noch gesagt …« Er zog Giuditta an sich, denn er hielt ihrem Blick nicht lange stand. »Ich war nur selten zu Hause, weil ich mich dir gegenüber schuldig fühlte … weil ich dir deine Mutter genommen hatte … weil ich nicht in der Lage gewesen war, mich um dich zu kümmern …«
    Schweigend umarmten sie einander.
    »Vater …«
    »Schschsch … sag

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