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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Leinentuch gehüllten Brotlaib heraus und zapfte aus einem Fässchen Rotwein in einen Krug. Sie stellte alles auf den Tisch, dann holte sie noch zwei angeschlagene Becher und ein Messer für den Brotlaib.
    »Ich habe heute nichts gekocht«, sagte sie mit kraftloser Stimme. »Meine einzige Tochter ist krank geworden …«
    »Das tut mir leid …«, erwiderte Isacco.
    »Und ich verliere noch den Verstand«, fuhr die Frau fort, und ihr abwesender Blick verriet ihren Schmerz.
    »Was hat der Arzt gesagt?«, fragte Isacco.
    Die Wirtin sah ihn überrascht an. Dann schüttelte sie gedankenverloren den Kopf. »Hierher kommt kein Arzt. Wir bringen unsere Kinder in unseren Betten allein zur Welt, und dort sterben wir auch allein, wenn unsere Stunde gekommen ist.«
    Wieder hörte man von oben ein Stöhnen.
    Die Frau fuhr hoch und presste die Lippen aufeinander. Ihr Gesicht zeigte in brutaler Offenheit all ihren Schmerz.
    Da sagte Giuditta ohne zu überlegen: »Mein Vater ist Arzt.«

5
    M eine Mutter war Schauspielerin«, sagte Mercurio und stieg von der Plattform herab, als es Tag geworden war. »Besser gesagt … sie war Schauspieler.« Er musterte die drei, die ebenfalls heruntergesprungen waren und ihn nun erwartungsvoll ansahen. »Ihr wisst doch, dass Frauen nicht im Theater auftreten dürfen?«
    Benedetta und Zolfo sahen einander an. »Natürlich«, log Benedetta.
    »Ja, sicher«, spottete Mercurio. »Also, meine Mutter hat sich jahrelang als Mann verkleidet, um auf der Bühne stehen zu können. Alle haben ihr das abgenommen. Und selbst als Mann war sie so hübsch, dass man ihr immer die Frauenrollen gab.«
    Benedetta und Zolfo hörten ihm gebannt zu, aber der Geschlechtertausch verwirrte sie, sodass sie nicht recht wussten, woran sie waren.
    Mercurio packte einen Zipfel des schmutzigen und geflickten Tuchs, das unter der Plattform hing. »Seid ihr bereit?«, fragte er und zog es dann mit einer theatralischen Geste weg, um zu enthüllen, was sich dahinter verbarg.
    Benedetta, Zolfo und Ercole sperrten vor Erstaunen den Mund weit auf.
    Sie kamen sich vor wie in einer Schneiderei. Oder in einem Kleiderladen. Da hing ein Priestertalar neben einer Mönchskutte, das schwarze Gewand eines Schreibers neben dem gestreiften eines Dieners. Dann das eines päpstlichen Stallknechts mit an der Brust lederverstärktem Wams. Die Beinkleider eines spanischen Soldaten, ein Hosenbein amarantrot, das andere safrangelb, und eine Jacke mit funkelnden Tressen und geschlitzten Puffärmeln. Die Schürze eines Schmieds, die schwarze Mütze und der gewachste Überrock eines Reisenden. Aus einem Weidenkorb quollen Haarteile, Perücken, Brillen, Monokel, falsche Bärte, Schriftrollen und Geldbörsen hervor, aus einem anderen Korb Waffen und Werkzeuge: ein Kurzschwert, ein Schmiedehammer, der Strick eines Pferdehändlers, ein Ledergürtel mit Meißeln und Hohlbeiteln für einen Schnitzer, das Rasiermesser eines Barbiers, Sägen für einen Tischler und die Stempelkissen eines Schreibers, Gänsefedern, Tintenfässer. Halbschuhe, Stiefel, Pantoffeln und Holzschuhe der Fischverkäufer. Und schließlich das Gewand einer Hofdame, kobaltblau und mit falschen Edelsteinen aus buntem Glas besetzt, ein sittsames dunkelgrünes Kleid für ein Mädchen aus gutem Hause und ein noch bescheideneres graubraunes mit einer Schürze und einer großen Tasche vorn für eine Dienerin, dazu eine weiße Haube.
    »Heilige Madonna!«, entfuhr es Benedetta.
    Mercurio gluckste vor Stolz. »Los, an die Arbeit. Ich habe eine Idee, wie wir uns das Goldstück von dem Wirt wiederholen können.«
    »Woher hast du all diese Sachen?«, fragte Benedetta, als hätte sie seine letzten Worte nicht gehört.
    »Meine Mutter hat sie mir vererbt«, erklärte Mercurio. »Von ihr habe ich gelernt, mich zu verkleiden. Nur dass ich … eine etwas andere Art Schauspieler bin als sie«, sagte er lachend.
    »Du bist also gar keine Waise?«, fragte Zolfo.
    »Doch. Aber auf dem Totenbett hat meine Mutter den Leiter der Schauspieltruppe gebeten, nach mir zu suchen und mir diese Sachen und ihren Segen zu überbringen.« Mercurio betrachtete die drei, die immer noch an seinen Lippen hingen. »Also, das ist eine lange Geschichte. Um es kurz zu machen, meine Mutter ging mit einem Schauspieler der Truppe ins Bett, der herausgefunden hatte, dass sie eine Frau war. So wurde ich geboren, und meine Mutter war gezwungen, mich …«
    »Dich an der Drehlade für Findelkinder auszusetzen, so wie man es mit mir und

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