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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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angesprochen wurde. Schließlich war sie es gewohnt, dass man sie einfach duzte und »Mädchen« zu ihr sagte. Sie betrachtete sich im Fenster des Vorzimmers. Dort sah sie das Spiegelbild einer jungen Frau in einem Kleid aus glänzend dunkelbrauner, raschelnder Seide, deren Farbe, je nachdem, wie das Licht darauf fiel, zwischen Orange und warmen Rottönen changierte. Feinste Spitze aus Burano zierte den Ausschnitt des Gewandes, und eine Kette aus Süßwasserperlen ließ ihren Hals erstrahlen. Dazu die kupferroten Haare, die zu Zöpfen geflochten und mit perlenverzierten Nadeln hochgesteckt waren. Überdies verströmte sie einen zarten Duft von Nelken und indischen Edelhölzern. Benedetta verneigte sich leicht, beinahe belustigt vor der eleganten Gestalt im Fenster des Vorzimmers der Magierin Reina.
    »Eure hochverehrte Herrschaft«, flüsterte sie.
    Dann trat sie durch den sternenübersäten Vorhang.
    Das Zimmer, in dem die Magierin Reina ihre Kunden empfing, hatte eine ganz eigene Atmosphäre. Die Wände waren ganz in pompejanischem Rot gehalten, und darüber zog sich ein Netz aus handgeschriebenen schwarzen Symbolen. Eine Vielzahl von Regalen stand an den Wänden, vollgestopft mit Gläsern, Amuletten, Kandelabern, Kerzen in Form menschlicher Körper, kleineren und größeren Tierschädeln, Kaninchenpfoten und Wurzeln, braunen Glasgefäßen voller Samen, getrockneten Blumen, glitzernden Halbedelsteinen, Myrrhe und Weihrauch, toten Schlangen, Eidechsen und vielerlei Insekten. Dazu Seile jeder Dicke, die auf die unterschiedlichste Weise geknotet waren. Außerdem Muscheln und Glasaugen. In einer Ecke war auf einem Pult ein großes Buch mit astrologischen Symbolen und den Umlaufbahnen der Planeten aufgeschlagen. Auf dem Boden lagen mehrere Orientteppiche übereinander, die allerdings nicht gerade sauber waren und voller weißer und grauer Haare. Zwei große Katzen lungerten darauf herum, die eine grau, die andere weiß, mit langem dichtem Fell und buschigen Schwänzen, die bei Benedettas Hereinkommen sanft durch die Luft wogten wie Algen am Grunde des Meeres.
    »Die Menschen beäugen sie misstrauisch, weil sie denken, die beiden da würden mir dienen«, sagte die Magierin Reina und zeigte auf die großen Katzen, während sie sich erhob und Benedetta entgegenging. »Aber eigentlich haben sie nur eine Aufgabe, nämlich Mäuse zu fressen, hochverehrte Herrschaft«, fügte sie hinzu und verbeugte sich.
    Benedetta war überrascht. Sie hatte sich vorgestellt, einer alten, womöglich buckligen Frau mit einer riesigen Höckernase und einem zahnlosen Mund zu begegnen. Stattdessen war die Magierin Reina groß und schlank, sah äußerst anziehend aus mit den langen, dunkel gefärbten Haaren, die ihr offen auf die Schulter fielen, und war wie ein Mann aus dem Morgenland gekleidet, mit weiten Hosen aus orangefarbener Seide, die um die Knöchel eng zusammenliefen, und einer schwarz-violetten Tunika, die bis zum Hals hochgeknöpft war und knapp über das Knie reichte. Sie hatte ausdrucksstark geschminkte Augen und an beiden Handgelenken schwere Armreifen aus Kupfer mit kleinen Glöckchen, die bei jeder Bewegung klirrten.
    »Ich will, dass Ihr mir …«, begann Benedetta unverzüglich.
    Die Magierin Reina unterbrach sie sogleich. »Nehmt doch Platz, Eure hochverehrte Herrschaft.« Sie deutete auf ein niedriges Ledersofa in einer stillen Ecke des Zimmers, über der ein heller Schleier hing. Neben dem Sofa brannte eine zweiarmige Lampe in Gestalt eines Mohren. Davor stand ein niedrigerer, runder Tisch, der schwarz lackiert und mit goldenen Zaubersymbolen versehen war. Und schließlich lag da noch eine schlichte Matte aus Hanf, die einmal zusammengefaltet und schon ziemlich abgenutzt war.
    Benedetta setzte sich auf das weiche und bequeme Sofa.
    Die Magierin Reina ließ sich auf der alten Matte nieder und verschränkte ihre Beine in langsamen, ruhigen Bewegungen wie eine Schlange, die sich auf dem Boden zusammenrollt. Sie schnippte mit ihren gepflegten Fingern.
    Sofort betrat ein kräftiger junger Mann mit gesenktem Kopf das Zimmer und stellte ein Tablett mit zwei dampfenden Tassen vor sie auf den Tisch.
    Die Magierin Reina schnippte erneut mit den Fingern, und der junge Mann zog sich ebenso geschwind zurück, wie er gekommen war.
    »Trinkt«, sagte die Magierin.
    »Ich habe keinen Durst«, erwiderte Benedetta.
    Die Magierin lächelte. »Dieses Getränk dient nicht dazu, Euren Durst zu stillen.«
    »Wozu denn dann?«, fragte

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