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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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erzählt, dass der Herr des Hauses ein paar Geschäfte abschließen möchte und deswegen nach außen hin zeigen muss, dass er eine wohlgefüllte Börse hat. Und weißt du, was er dann macht? Mir kommt das völlig verrückt vor. Er lässt seinen Palazzo herrichten, lässt ihn von oben bis unten auf Hochglanz bringen, und dann … dann verschuldet er sich weit über die Schmerzgrenze und kauft Silberzeug, Gemälde, Teppiche für die Wände und die Böden, Kleidung für die Diener und alles, was nötig ist, damit er wie ein reicher Mann erscheint, was er ja in Wirklichkeit gar nicht ist. Er veranstaltet diesen Empfang, gibt ein Festmahl mit den allerfeinsten Köstlichkeiten und sieht zu, dass er seine Geschäfte abschließen kann. Und danach verkauft er alles wieder und versucht, damit seine Schulden zu begleichen. Ist das nicht völlig verrückt?«
    Schweigend betrachtete Mercurio den Palazzo, doch er schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein.
    »Hast du mich gehört?«, fragte Anna.
    »Äh, was?«, fragte Mercurio verwirrt.
    »Woran denkst du?«
    Mercurio schenkte ihr ein ausdrucksloses Lächeln. »Ach nichts, nur so eine Idee …«
    »Was für eine Idee?«
    Mercurio zuckte mit den Schultern. »Gar nichts.«
    »Jetzt muss ich aber zur Arbeit.« Anna sah Battista eindringlich an. »Ihr habt Kinder«, sagte sie ernst. »Ich verlasse mich auf Euch. Auf Eure Vernunft.«
    Battista wurde rot.
    »Manchmal kommst du mir vor, als wärst du ein Mann«, sagte Anna zu Mercurio.
    »Ich bin ein Mann.«
    »Ja, sicher«, sagte Anna lächelnd beim Aussteigen, und als sie sich auf den Weg zu dem Haus des Adligen machte, sagte sie leise zu sich: »Wachs nur nicht zu schnell, mein Sohn.«
    »Und jetzt?«, fragte Tonio, als sie allein waren. »Geht es nun los?«
    Alle sahen Mercurio erwartungsvoll an.
    »Es geht los«, sagte er feierlich.
    Während der ganzen Überfahrt sprach keiner mehr ein Wort. Die Spannung war beinahe mit Händen zu greifen. Niemandem war mehr nach Scherzen zumute.
    Sie machten am Kai des Riva degli Schiavoni fest, in einem Seitenkanal, wo kaum jemand sie sehen würde.
    Mercurio stand auf, um an Land zu gehen. Dann drehte er sich noch einmal nach Battista und den Brüdern um. »Wie erkenne ich ein … Groß-Oberbramsegel aus Bramtuch?«, fragte er mit zugeschnürter Kehle.
    Die beiden Brüder sahen ihn schweigend an.
    Mercurio sagte nichts mehr. Er wartete geduldig.
    »Das Groß-Oberbramsegel ist das kleine Segel ganz oben am Großmast«, erklärte Tonio schließlich. »Und im Arsenal, falls es das ist, worüber wir reden, sind alle Segel aus Bramtuch.«
    Mercurio nickte. Er sprang auf den Kai. Dann löste er mit einer heftigen Bewegung den Umhang und warf ihn ins Boot. »Den brauche ich jetzt nicht. Bewahrt ihn für mich auf.«
    »Das ist Wahnsinn …«, sagte Battista erschrocken, als er die typische Arsenalottokleidung sah.
    Die beiden Brüder rissen überrascht die Augen auf. Dann brach Berto mit seinem tiefen Organ in schallendes Gelächter aus. »Zeig’s ihnen, Junge! Wir warten im Rio della Tana auf dich.«
    Battista schüttelte den Kopf. Er wirkte verängstigt.
    »Im Rio della Tana«, sagte nun auch Tonio. »Am besten bei Sonnenuntergang, wenn alle nach Hause gehen. Dann haben sie es eilig und werden nicht so auf dich achten.«
    Düstere Stille senkte sich über sie herab.
    Battista schüttelte weiterhin besorgt den Kopf.
    Mercurio sah ihn an. »Werdet ihr da sein?«
    »Das ist Wahnsinn …«, wiederholte der Fischer.
    »Wirst du da sein?«
    Battista erwiderte seinen Blick und nickte.
    In dem Moment war das Dröhnen der Marangona-Glocke zu vernehmen, die wie immer für alle Venezianer den Tagesbeginn einläutete.
    »Ich muss gehen«, sagte Mercurio. Er drehte sich um und ging zu dem weiten Hof vor dem Paradiso, einem der drei Gebäude, in denen die Arsenalotti lebten. Die anderen zwei, so erinnerte sich Mercurio, hießen Inferno und Purgatorio .
    Was für lächerliche Namen, dachte Mercurio, als er sich die drei riesigen Gebäude ansah, die knapp zweitausend Arsenalotti mitsamt ihren Familien beherbergten.
    Erst waren es nur ein paar, dann wurden es immer mehr Arsenalotti, junge wie alte, die sich schweigend, die Proviantkörbe über die Schulter gehängt, im bleichen, wolkenverhangenen Morgenlicht den Mauern des Arsenals näherten. Alle liefen stumm vorwärts. Es war kalt, und sie waren müde. Die Gassen hallten von ihren Schritten wider.
    Mercurio zog die Schultern ein, rückte sich die Mütze auf

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