Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
den einfallsreichen Formen und Stoffen in allen erdenklichen Gelbtönen hatten verführen lassen. Sie hatten diese Hüte für sich selbst erworben, trotz des Gesetzes, das den Juden eigentlich verbot, etwas an sie zu verkaufen.
Als sie Giudittas Hut von innen betrachtete, fiel ihr auf dem Saum ein dunkler roter Fleck auf. Es sah aus wie Blut.
Benedetta streichelte ihrem mächtigen Geliebten zärtlich über den eingefallenen Brustkorb, der sich regelmäßig hob und senkte. Der Fürst schlief tief und fest.
»Ich brauche dein Geld, und ich kann nicht warten … mein Liebster«, sagte sie leise.
Sie öffnete die Börse aus Seidensatin, die der Fürst am Gürtel trug, und holte drei Goldstücke hervor. Dann stand sie auf und nahm das Säckchen, das Giudittas Haare enthielt. Schließlich verließ sie den Palazzo und ließ sich von einem Diener des Fürsten zum Haus der Magierin Reina begleiten.
»Hast du alles, worum ich dich gebeten hatte?«, fragte die Magierin.
Benedetta reichte ihr das Säckchen mit den Haaren und den gelben Hut. »Da ist ein Fleck auf der Innenseite«, sagte sie und zeigte ihn der Frau. »Es sieht aus wie Blut.«
»Dann ist sie vielleicht eine Hexe?«, lachte die Magierin, öffnete das Säckchen und holte die Haare hervor. »Die sind ja feucht«, sagte sie und verzog angeekelt das Gesicht.
»Ich habe darauf gespuckt«, erwiderte Benedetta knapp.
53
D u traust mir nicht!«, empörte sich Giuditta und versperrte ihrem Vater, der gerade das Haus verlassen wollte, den Weg.
»Ich traue diesem Betrüger nicht!«, übertönte Isacco seine Tochter.
»Hör endlich auf, ihn so zu nennen!«, rief Giuditta rot vor Zorn.
Isacco schüttelte den Kopf in dem vergeblichen Versuch, sich zu beruhigen. »Ich verbiete dir, ihn wiederzusehen«, sagte er und ballte die Fäuste.
»Wie sollte ich auch, wo du mir doch diesen Wachhund zur Seite gestellt hast«, zischte Giuditta wütend. Sie hatte geglaubt, ihr Vater hätte sie von Joseph begleiten lassen, damit sie sich nach dem Angriff durch den Jungen, der sie an den Haaren gezogen und ihr den Hut vom Kopf gerissen hatte, sicherer fühlte. Jetzt kam sie sich hintergangen vor. »Nachts sorgen die Christen dafür, dass ich eingesperrt werde«, sagte sie grimmig, »und tagsüber erledigt das mein Vater.«
»Es ist nur zu deinem Besten«, sagte Isacco kurz angebunden.
»Ja, sicher«, erwiderte Giuditta und verzog dabei das Gesicht.
»Du bist noch jung«, fuhr Isacco fort. Er wollte die Wogen wieder glätten, spürte jedoch zugleich, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. »Jetzt verstehst du das nicht. Aber eines Tages wirst du es mir danken.«
»Eines Tages laufe ich davon!«, fauchte Giuditta zurück und ging mit erhobenen Fäusten auf ihn los.
Da konnte Isacco sich nicht mehr zurückhalten, und ehe er es sich versah, hatte er auch schon ausgeholt und ihr eine Ohrfeige versetzt.
Giuditta riss vor Schreck die Augen auf und legte sich eine Hand an die brennende Wange.
»Giuditta …«, stieß Isacco kläglich hervor.
Giuditta öffnete ihm wortlos die Tür, um ihn hinauszulassen.
Isacco verharrte einen Moment reglos. Am liebsten hätte er seine Tochter in den Arm genommen und sie um Verzeihung gebeten. Er hätte ihr gern alles erklärt, ihr gesagt, wie leid es ihm tat. Aber er blieb stumm und seine Brust verkrampfte sich, sodass ihm das Atmen schwerfiel. Wie sehr wünschte er sich, seine Frau wäre noch bei ihm. Sie hätte bestimmt gewusst, was zu tun wäre. Er hingegen kam sich ohnmächtig und unfähig vor. Wütend auf sich selbst verließ er schließlich fluchtartig die Wohnung, als Joseph im Treppenhaus erschien.
»Guten Tag, Herr Doktor«, sagte der Junge mit der Hand an seinem Stock.
»Scher dich doch zum Henker mit deinem Guten Tag!«, fuhr Isacco ihn beim Vorbeigehen an. Aber nach wenigen Stufen drehte er sich noch einmal um und richtete einen Finger auf ihn: »Du bist gefeuert!«
»Aber Herr Doktor …«, protestierte Joseph bestürzt.
»Verschwinde, oder ich schlag dir mit deinem eigenen Stock den Schädel ein!«, wütete Isacco.
Ohne zu verstehen, was vor sich ging, macht Joseph kehrt und stieg langsam die Treppe hinunter.
»Los, beeil dich!«, befahl Isacco.
Der große, kräftige Junge zog leicht den Kopf ein, während er sich an ihm vorbeischob, als fürchtete er, tatsächlich geschlagen zu werden. Dann suchte er schnell das Weite.
Isacco ging zwei Treppenabsätze nach unten, dann besann er sich und rannte noch einmal, fuchsteufelswild und
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