Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
Prior hat um Diskretion gebeten.« Er beugte sich verschwörerisch zu Isacco hinüber. »Es handelt sich um bekannte Persönlichkeiten. Adlige. Einer soll sogar dem Rat der Zehn angehören …«
Isacco nickte. Der Prior würde ihn bestimmt in den nächsten Tagen über die Aspekte der Krankheit auf dem Laufenden halten. Isacco interessierte sich gar nicht so sehr dafür, wer die Männer waren. Er wollte nur wissen, wie sich die Krankheit bei Männern entwickelte. Im Moment schien es nämlich, als würde sie bei ihnen eher tödlich verlaufen. Er holte ein Fläschchen aus seiner Tasche und übergab es dem Zappafanghi. »Gebt das dem Prior«, sagte er. »Das ist Öl vom Holz des Guajakbaums. Es lindert die Wunden.« Er verabschiedete sich und winkte Donnola zum Zeichen, dass sie ihren Weg fortsetzen würden.
Nachdem sie das Castelletto erreicht hatten, steuerten sie gleich den Torre delle Ghiandaie an. Nachdem sie durch den schmutzigen, stinkenden Eingang getreten waren, machten sie sich daran, die Treppen nach oben zu steigen. Im dritten Stock blieb Isacco stehen und sah Donnola an.
»Meinst du, ich kümmere mich nicht genug um Giuditta?«, fragte er ihn.
»Was meint Ihr denn?«, fragte Donnola zurück.
»Donnola …« Isacco presste die Lippen zusammen und seufzte, dann schaute er zum fünften Stockwerk hinauf. »Was tun wir diesen armen Frauen an?«
»Ihr helft Ihnen, Doktor«, erwiderte Donnola mit fester Stimme. »Und Ihr schlagt weit weniger Gewinn daraus, als Ihr könntet.«
»Ich mache weit mehr Gewinn, als ich verdiene«, sagte Isacco. »Jetzt sind schon vier Frauen tot. Keine von ihnen konnte ich retten. Wofür also darf ich Geld verlangen?«
»Für die Zeit, die Ihr ihnen widmet«, erwiderte Donnola ernst. »Ihr haltet Euch von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang hier auf. Wer sonst würde so etwas tun?«
»Jede beliebige Gesellschaftsdame.«
»Ich habe es Euch ja schon einmal gesagt, Ihr Juden könnt nichts anderes, als Euch selbst zu bemitleiden. Ich muss gestehen, auf Dauer langweilt es ein wenig, Euch zuzuhören.«
Isacco lächelte. »Kümmere ich mich nicht genug um Giuditta?«, fragte er noch einmal.
»Das wisst nur Ihr allein, Doktor. Aber wenn Ihr deswegen schon jemanden fragen wollt, dann wendet Euch besser an Eure Tochter als an mich.«
»Du entwickelst dich zu einem nervtötenden Philosophen, Donnola«, sagte Isacco und versetzte ihm einen Klaps auf die Schulter. »Aber trotzdem danke.«
Sie stiegen die restlichen zwei Stockwerke bis zur fünften Etage hinauf.
Der Kardinal, die hünenhafte Hure, erwartete sie schon auf dem Treppenabsatz. »Es sind noch drei dazugekommen«, sagte sie. »Wir haben keinen Platz mehr.«
»Dann rücken wir eben enger zusammen«, sagte Isacco. »Eigentlich wären es noch zwei mehr«, sagte der Kardinal leise und ein wenig verlegen. »Aber sie sagen … sie sagen, dass sie sich nicht …«
»Dass sie sich nicht von einem Juden behandeln lassen wollen?«, fragte Isacco direkt.
Die Frau nickte düster.
»Wenn die beiden doch nur die Einzigen wären«, seufzte Isacco. »Es tut mir leid, dass ich Jude bin«, sagte er und hob betrübt die Arme zum Himmel. »Aber so ist es nun einmal, nicht wahr?«
»Ihr seid unser Arzt und Schluss«, sagte die Prostituierte.
Donnola ging vorbei und lächelte sie an. »Gute Antwort. Eines Tages werde ich dich meinen Körper kosten lassen, meine Schöne«, sagte er zu ihr.
»Und zum Dank wird dein Gesicht meine Faust zu kosten bekommen«, erwiderte der Kardinal.
Donnola lachte und eilte Isacco nach, der bereits den Gang entlangschritt, in jedes Zimmer schaute und jede der kranken Huren mit einem Lächeln grüßte. Donnola schob sich an ihm vorbei und öffnete eine Tür am Ende des Ganges, die mit einer groben Skizze einer üppigen, tief dekolletierten Frauengestalt verziert war.
»Guten Tag, Repubblica«, sagte er warmherzig. »Wie fühlst du dich heute?«
»Besser«, lautete die Antwort.
Donnola drehte sich zu Isacco um und lächelte ihn an. »Seht Ihr?«, fragte er leise. »Die eine oder andere scheint trotz Eurer Unfähigkeit durchzukommen.«
»Wollen wir mal den Tag nicht vor dem Abend loben«, sagte Isacco düster.
Donnola schlug mit gespielter Verzweiflung die Hände über dem Kopf zusammen. »Ich könnte Euch erwürgen, Doktor.«
Isacco betrat den Raum.
Lidia, Repubblicas Tochter, lief ihm entgegen und umarmte ihn. »Die Wunden verheilen! Sie verheilen tatsächlich! Danke, ich danke Euch so sehr!« Sie drückte
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