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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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ruckartig um und lief mit ihren schmatzenden Schuhen so hastig auf die Tür zu, als wäre sie auf der Flucht.
    Die beiden Männer lachten hinter ihrem Rücken.
    »Anna del Mercato«, rief der Fettwanst noch einmal ihren Namen, als sie schon auf der Schwelle stand. »Einen Rat noch für die Zukunft: Sei beim nächsten Mal etwas aufgeweckter!«
    »Danke, Euer Gnaden, danke«, sagte Anna und verneigte sich demütig.
    Sie verließ den Raum und lief leichtfüßig die Stufen hinab. Die Schmerzen in ihren Knien schienen mit einem Mal wie verflogen. Unten angekommen, versetzte sie dem Eimer mit dem Schmutzwasser einen Tritt, dass er umfiel, und als sie an den beiden großen, dunkelhäutigen Sklaven vorbeikam, sagte sie: »Euer Herr ist nicht so schlecht, wie ich dachte, auch wenn er reich ist.« Dann verschwand sie kichernd wie ein kleines Mädchen im Sottoportego delle Colonne.
    Als sie drei Stunden später in Mestre ankam, eilte sie nach Hause und rief ganz aufgeregt: »Mercurio, mein Junge! Du errätst nicht, was ich erlebt habe!«
    »Was hast du denn erlebt?«, vernahm sie eine unangenehm vertraute, schrille Stimme.
    Anna zuckte zusammen. Dann ging sie langsam in die Küche hinüber.
    Dort sah sie den fetten Bernardo da Caravaglio am Tisch sitzen. Sie verharrte für einen Moment in blankem Entsetzen. Und dann begriff sie.
    Der Fettwanst lachte, dann holte er sich zwei Stofffetzen aus den Wangen. »Willkommen zu Hause«, sagte Mercurio nun wieder mit seiner normalen Stimme.
    Anna blieb die Luft weg, das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Dann füllten sich ihre Augen mit Tränen. Und während Mercurio sich noch das ausgepolsterte Gewand abnahm, stürzte sie auf ihn zu und schlug halb lachend, halb weinend vor Freude und Überraschung auf ihn ein.
    Mercurio freute sich mit ihr. »Du dumme Magd, du hättest mich am liebsten erstochen, gib es zu«, sagte er mit einem gewissen Stolz, weil nicht einmal sie ihn erkannt hatte.
    »Wie hast du das gemacht?«, fragte Anna. »Nein, ich muss anders fragen: Warum habe ich nichts gemerkt?«
    »Weil ich dich sofort angegriffen habe«, erwiderte Mercurio lachend. »Der Trick ist, dass du deinem Opfer keine Zeit zum Nachdenken lässt. Du musst den anderen in ein Wechselbad der Gefühle werfen.« Er lachte wieder. »Das hat richtig Spaß gemacht! Du hättest dein Gesicht sehen sollen! Ich dachte, du platzt gleich. Nicht einmal Tonio und Berto hast du erkannt.«
    »Tonio und …« Anna blieb der Mund offen stehen. »Ach, deshalb haben sie sich abgewandt, als ich sie angesprochen habe! Aber woher hast du eigentlich all die Sachen … die Sänfte …«
    »Aus dem Teatro dell’Anzelo«, lachte Mercurio. »Da kann ich mir ausleihen, was ich will.«
    Anna schlug sich gegen die Stirn. »Deshalb wusste dieser widerwärtige Fettwanst von der Sache mit den günstigen Einkäufen«, sagte sie. »Weil ich dir davon erzählt habe.«
    »Beim ersten Mal, als wir uns begegnet sind«, führte Mercurio ihren Gedanken fort. »Du hast mir außerdem gesagt, dass diese adligen Säcke später nichts mehr von dir wissen wollten, wenn sie wieder zu Reichtum gekommen waren, weil du sie an die mageren Zeiten erinnerst … anstatt dir dankbar zu sein.«
    »Das hast du dir gemerkt …«, sagte Anna gerührt. Sie lächelte, als sie an den Tag zurückdachte, als Bruder Amadeo mit den drei schmutzigen, halb verhungerten und verängstigten Kindern an ihre Tür geklopft hatte. »Du warst patschnass … und trugst einen Talar! Ich hätte gleich wissen müssen, dass du es faustdick hinter den Ohren hast!«
    Mercurio lachte. Er freute sich wie ein Kind.
    Anna betrachtete ihn stolz. »Das hast du gut gemacht. Du hast wirklich eine besondere Begabung, mein Junge.«
    Mercurio errötete.
    Jetzt war es an Anna zu lachen. Sie umarmte ihn und küsste ihn auf die Wangen. Dann verzog sie das Gesicht. »Pfui … Jetzt hab ich all deine Haare im Mund …«
    »Das sind nicht meine, sondern die von der Nachbarskatze«, grinste Mercurio. »Der wird es eine Weile kalt am Allerwertesten sein.« Er entledigte sich nun endgültig seiner Verkleidung, schminkte sich ab und ging auf die Tür zu. »Ich muss zu Isaia Saraval«, erklärte er.
    Doch Anna hörte ihn schon nicht mehr. Sie starrte kopfschüttelnd ins Feuer und durchlebte mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen noch einmal all die aufwühlenden Ereignisse des Tages.
    Mercurio ging zum Laden des Pfandleihers auf dem Marktplatz. Der verarmte Adlige hatte sofort begriffen, welchen

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