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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Sie nahm seine Hand und küsste sie. »Gott segne Euch, Herr«, sagte die Frau und sah voller Dankbarkeit zu ihm auf.
    Da wandte sich der Mann mit dem Kind auf dem Arm zu den Menschen und schrie, während er mit dem Stummel durch die Luft fuhr: »Das ist der Arzt, der mich gerettet hat!«
    Nachdem sich die Huren wieder vor den Stall gewagt hatten, trat nun unter dem Raunen der Menge ein anderer Mann hervor. Er war etwa dreißig Jahre alt, hatte ein Bein verloren und bewegte sich auf Krücken vorwärts. Er stellte sich neben den jungen Mann mit dem Armstummel, nachdem er Isacco genau betrachtet und dann lächelnd begrüßt hatte. Sofort trat seine Frau an seine Seite, und danach kamen zwei weitere Versehrte herangehumpelt, die sich nun stolz und aufrecht neben ihre früheren Kameraden stellten. Auch sie hatten Frau und Kinder dabei.
    »Ihm verdanke ich, dass ich noch atmen und laufen kann!«, schrie ein anderer, dem man einen Fuß abgenommen hatte und der sich auf eine Prothese aus Holz stützte, die mit einem Lederriemen an seinen Beinstumpf gebunden war.
    Immer mehr Menschen traten hervor, und bald hatte sich auf dem Platz zwischen dem Stall und der Menge eine kleine Schar von Versehrten versammelt. Dem einen fehlte ein Arm, dem anderen ein Bein, manchen nur ein paar Finger, und sie alle hatte Isacco, so gut es ihm möglich war, medizinisch versorgt, als er damals auf seinem Weg nach Venedig auf Hauptmann Lanzafame und seine verwundeten Soldaten gestoßen war.
    Isacco war tief bewegt.
    »Und jetzt erzähl mir noch mal, dass du kein Arzt bist«, flüsterte ihm Lanzafame ins Ohr.
    Der Trupp wandte sich seinem früheren Befehlshaber zu. »Zählt auf uns, Hauptmann«, sagte der junge Mann, der den Anfang gemacht hatte, und sprach damit für alle.
    Lanzafame ging zu ihnen. »Bei Gott, ich habe noch nie ein so großartiges Heer angeführt!«, rief er mit glänzenden Augen aus.
    Die Menge war verstummt.
    Mercurio beobachtete, dass Hass und Wut sich auflösten wie Tautropfen in der Morgensonne. Und er dachte, dass zumindest sie dem Treibsand des unerbittlichen Schicksals entkommen waren. Er wandte sich zu Anna um. »Es tut mir leid wegen gestern …«, sagte er.
    Anna drückte seine Hand. »Es ist schön, am Leben zu sein, wenn man so etwas mit anschauen kann, nicht?«
    Mercurio nickte zustimmend. Zu mehr war er noch nicht fähig.
    »Benötigt Ihr Hilfe, Doktor?«, fragte der Mann auf Krücken Isacco.
    »Was ist zu tun?«, fragte ein anderer.
    »Ach verdammt, jede Menge, sieh dich doch nur um«, erwiderte der junge Mann mit dem Armstummel.
    »Ihr Männer fangt mit den Wänden an. Die müssen gekalkt werden«, sagte ein Mädchen. »Und wir kümmern uns um diese armen Frauen, die sicher keine Männerhände mehr zwischen ihren Schenkeln spüren wollen!«
    Die Frauen lachten und gingen auf die Huren zu.
    »Wie ist es mit euch? Helft ihr uns oder nicht?«, rief der Junge mit dem Armstumpf den übrigen Leuten zu.
    Die meisten senkten den Kopf, ohne sich weiter zu äußern, und verschwanden schließlich stumm, doch einige gesellten sich zu den ehemaligen Soldaten.
    Isacco suchte Mercurio und ging zu ihm. »Das ist alles dein Verdienst, weißt du das?«, sagte er zu ihm. »Danke.«
    Mercurio sah ihn düster an. »Jetzt, wo Ihr wegen Eurer Tochter keine Angst mehr zu haben braucht, könnt Ihr wohl großzügig sein, nicht wahr, Doktor?«
    »Junge, ich möchte, dass du weißt …«, begann Isacco.
    »Reden wir nicht mehr darüber«, unterbrach Mercurio ihn. »Ihr habt bekommen, was Ihr braucht. Aber wir wissen doch beide, dass Ihr Euch niemals darauf eingelassen hättet, wenn Ihr gewusst hättet, dass ich dahinterstecke. Also, bemüht Euch jetzt nicht.«
    »Du hast recht«, räumte Isacco ein. »Ich bitte dich um Verzei …«
    »Bittet mich um gar nichts, Doktor!«, fuhr Mercurio auf. »Es schert mich alles nicht mehr«, brummte er dann und verschwand.
    Er konnte all die Leute nicht mehr ertragen, denen es gelungen war, sich aus dem Treibsand zu befreien. Deshalb machte er sich auf zum Ortskern von Mestre.
    Vor Isaia Saravals Pfandleihe traf er auf Scarabello. »Hast du meinen Anteil?«, fragte er ihn.
    Scarabello wirkte schwach und konnte sich offensichtlich kaum noch auf den Beinen halten. Seine Unterlippe war violett angeschwollen und von einer eitrigen Wunde gespalten. Seine sonst so untadeligen schwarzen Kleider waren zerknittert und schmutzig, und selbst sein Haar schien dünner geworden zu sein und nicht so zu glänzen wie

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