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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Rabenfedern!«, schrie Giuditta außer sich. »Meine Kleider! Und ganz Venedig …«
    »Na, also übertreib mal nicht, von wegen ganz Venedig!«, schrie Octavia nun noch lauter als sie und wandte sich an Ariel Bar Zadok, der wie gelähmt dastand. »Beweg dich!«, fuhr sie ihn wütend an und zog die Tür des Anproberaums hinter sich zu.
    Der Kaufmann schien wieder zu sich zu kommen und wandte sich dem Diener zu: »Bitte, was ist dein Begehr?«
    »Ich möchte die Kleider für die edlen Herrschaften der Familien Labia, Vendramin, Priuli, Venier, Franchetti und Contarini abholen«, erklärte der.
    »Hm, also …«, sagte Ariel Bar Zadok und sah sich verzweifelt um. Er blieb einen Augenblick stehen, doch dann hob er plötzlich erfreut einen Finger in die Luft. »Warte kurz hier«, sagte er und schlüpfte mit schnellen kleinen Schritten in den Anproberaum.
    »Es muss jemand sein, der für uns arbeitet!«, hörte der Diener Giuditta schreien. »Wer sollte so etwas sonst wollen?«
    Der Kaufmann schloss die Tür hinter sich. Kurz darauf öffnete sie sich wieder.
    »Jeder kann das gewesen sein!«, rief Octavia gerade zurück.
    »Nein! Die Kleider sind nur in der Schneiderei und hier im Laden gewesen! Es ist jemand, der für uns arbeitet!«, beharrte Giuditta laut. »Aber warum? Ist unsere großartige jüdische Gemeinde etwa nicht einverstanden? Hat sie etwas gegen mich oder gegen den Hurendoktor?«
    Ariel Bar Zadok verließ den Raum mit einem umfangreichen Paket. Er lächelte verlegen, während er die Tür hinter sich schloss. »Hier, guter Mann«, sagte er. »Zum Glück war es schon zusammengepackt und auf die Seite gelegt …«
    Der Diener nahm das Paket, sah sich noch einmal fassungslos in dem verwüsteten Laden um und verschwand.
    Ariel Bar Zadok öffnete die Tür zum Anprobezimmer und verkündete: »Wir sind allein.«
    Giuditta sah ihn an und presste die Kiefer aufeinander. »Wir sind allein«, wiederholte sie. »Ja, das sind wir wirklich, vollkommen allein.« Dann verließ sie den Laden und ging nach Hause, wo sie sich seit Tagen in sich selbst zurückzog, nicht auf die Fragen ihres Vaters antwortete, nicht mit Octavia sprach und kaum etwas zu sich nahm. Und keine einzige Träne vergoss.
    Der Diener lief inzwischen unter den Sottoporteghi zur Brücke über den Cannaregio-Kanal und übergab dort Zolfo das Paket.
    »Danke, Rodrigo«, sagte Zolfo.
    »Das jüdische Mädchen hat geschrien, als wollte man sie gleich abstechen«, erklärte der Diener.
    »Das wäre schön.«
    »Was?«
    »Wenn man sie abstechen würde.«
    »Was hat sie dir denn getan?«
    »Sie ist Jüdin. Das ist für mich mehr als genug«, erwiderte Zolfo.
    Rodrigo zuckte nur mit den Schultern.
    »Und was hat sie gesagt?«, fragte Zolfo.
    »Das, was schon jeder in Venedig weiß.«
    »Das heißt?«
    »Sag den vornehmen Herrschaften, sie sollen vorsichtig sein, bevor sie die Kleider anziehen«, meinte Rodrigo. »Und auch unserer Herrin.«
    »Warum?«
    »Sag ihnen, sie sollen nachsehen, ob nicht etwas in den Kleidern verborgen ist«, erklärte der Diener verschwörerisch, als hätte er Kenntnis von einem großen Geheimnis.
    »Und was sollte da drin sein?«
    Der Diener sah sich um. »Hexenwerk«, flüsterte er dann. »Zauberei.«
    »Was für Hexenwerk?«, fragte Zolfo.
    »Was glaubst du, ist wohl mit unserer Herrin geschehen?«, erwiderte der Diener und wurde noch leiser.
    »Hör doch auf mit diesem Unsinn!«, schimpfte Zolfo.
    »Mit manchen Dingen ist nicht zu spaßen, sage ich dir«, fuhr der Diener fort. »Soll ich dir was sagen? Ich würde meinem Mädchen niemals erlauben, diese Kleider zu tragen, selbst wenn sie sie geschenkt bekäme. Nicht einmal wenn man sie dafür bezahlen würde, hörst du?« Er schüttelte den Kopf. »In Venedig erzählt man sich, die Kleider seien verhext.«
    »Und wer sagt das?«
    »Jeder!«
    »Angeber!«
    »Hör mir zu«, sagte Rodrigo und trat noch näher an ihn heran. »Ich kenne eine Dienerin, die mit einer Wäscherin befreundet ist, die wiederum den Haushofmeister im Palazzo Priuli kennt, und der soll ihr erzählt haben, dass einer Frau, die eines dieser Kleider trug, noch Schlimmeres geschehen ist als unserer Herrin.«
    »Und was? Komm, erzähl schon!«
    »Das Kleid ist in Flammen aufgegangen …«
    »Nein!«
    »Aber ja! Und als es der Frau gelungen ist, es sich vom Leib zu reißen … Denk mal, sie ist nur durch ein göttliches Wunder nicht bei lebendigem Leibe verbrannt … Na, meine Freundin hat mir jedenfalls erzählt, dass

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