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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Seine Augen waren feucht geworden. Kopfschüttelnd sah er zu seinem Hund hinüber. Er breitete die Arme aus. »Mosè hat gelernt, auf einem Schiff zu fahren … Ich habe es mit ihm versucht …«, stammelte er schließlich wie ein kleiner Junge. »Er wird gar nicht seekrank.«
    Mercurio schwieg. Seine Augen waren auf die Lagune und die Insel San Michele gerichtet, doch eigentlich blickten sie ins Leere.
    »Also hast du dir dein Schiff doch noch wegnehmen lassen«, flüsterte Zuan, und in seiner Stimme schwang Traurigkeit mit.
    »Versenk es«, wiederholte Mercurio.

71
    W as ist geschehen?«, fragte Hauptmann Lanzafame. »Hast du auf einmal nichts mehr gegen den Jungen?«
    Isacco schaute ihn an. »Fragt mich nicht«, sagte er. »Er tut mir leid.«
    »Was ist geschehen?«, fragte Lanzafame noch einmal.
    »Das weiß ich nicht, aber Giuditta will plötzlich nichts mehr von ihm wissen …«
    »Also hat der Junge recht. Du solltest Freudentänze aufführen.«
    »Eigentlich schon.« Isacco schüttelte betrübt den Kopf. »Aber ihn so zu sehen … Der Junge tut mir leid. Der arme Kerl. Damit hätte ich niemals gerechnet.«
    »Und warum tut er dir leid?«
    »Weil …« Isacco seufzte niedergeschlagen. »Weil er jetzt aufgeben wird. Nachdem er mit aller Kraft versucht hat, es zu schaffen.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Weil ihm die dunkle Seite seines Wesens genau das eingeben wird.« Isacco presste die Lippen aufeinander. »Sie wird ihm einflüstern … dass es sich nicht lohnt.«
    »War das bei dir so?«, fragte Lanzafame leise.
    »Ständig«, erklärte Isacco. »Ja, ständig.«
    »Und doch bist du jetzt hier, bist der Hurendoktor geworden, der gegen alle Widerstände die Franzosenkrankheit bekämpft.«
    Isacco sah den Hauptmann an. In seinen Augen stand Trauer. »Ich bin glücklicher dran als er. Ich habe meine Frau, die, wo auch immer sie jetzt sein mag, Tag und Nacht schützend die Hand über mich hält. Dieser Junge aber … hat niemanden.«
    »Jetzt malst du aber den Teufel an die Wand, Isacco«, sagte Lanzafame.
    »Ich hoffe, dass Ihr recht behaltet.« Isacco sah sich um. Im Stall wurde eifrig gearbeitet. »Wir sind mit der Zeit hinterher. Wenn wir so weitermachen, werden wir nie fertig«, brummte er.
    Lanzafame sah sich um und sog ein wenig Luft ein. »Sieh es einmal positiv, Doktor. Es stinkt zumindest nicht mehr nach Kuh. Donnola hatte recht, ihr Juden könnt nichts als jammern.«
    Isacco lächelte traurig. »Wie gut könnten wir ihn jetzt gebrauchen. Er war der beste Gehilfe, den ich mir wünschen konnte.«
    »Ich kann ihn dir nicht zurückgeben«, sagte Lanzafame hart. »Aber dieses Schwein Scarabello wird dafür bezahlen. Ich schneid ihm eigenhändig die Kehle durch, und dann hänge ich ihn kopfüber an einem Balken auf und lasse ihn langsam ausbluten.«
    Draußen wurden plötzlich Rufe laut.
    »Was ist da los?«, fragte Lanzafame und schritt zur Tür.
    Isacco folgte ihm.
    »Juden und Huren!«, schrie ein alter, aber noch sehr rüstiger Mann, der eine Gruppe von etwa hundert Leuten anführte. »Wir wollen euch nicht in Mestre! Verschwindet von hier!«
    »Verschwindet! Verschwindet!«, brüllte die Menge. Einige trugen Mistgabeln und Sicheln bei sich.
    Die Huren, die trotz ihrer Krankheit in der Lage waren aufzustehen, drängten sich an der Tür zusammen. Ihre Gesichter und Körper, die einmal so verführerisch gewesen waren, waren jetzt von Pusteln, Wunden, Schwäche und Hunger gezeichnet. Ihre Augen waren ängstlich aufgerissen. Vor wenigen Tagen erst hatte man sie aus dem Torre delle Ghiandaie verjagt, und nun steckte ihnen noch die Angst in den Knochen, von einem Moment auf den anderen erneut hilflos auf der Straße zu stehen. Und der Gedanke, das Wenige, was sie nun hatten, auch noch zu verlieren, sorgte sie zutiefst.
    Sobald die Leute die Prostituierten sahen, schrien sie noch wütender. Vor allem die Frauen, die Angst um ihre Männer hatten.
    »Geht hinein«, befahl Lanzafame den Huren.
    Doch die Prostituierten verharrten wie gelähmt.
    »Verdammte Huren!«, schrie eine Frau und trat vor. Sie hob einen Stein auf und warf ihn Richtung Stall.
    Eine der Huren wurde am Knie getroffen. Sie schrie auf und taumelte.
    Kaum war sie zu Boden gefallen, johlte die aufgebrachte Menge auf und strömte weiter auf sie zu.
    »Halt!«, brüllte Lanzafame und zog sein Schwert. Seit sie sich nicht mehr gegen Scarabello verteidigen mussten, kümmerten seine Männer sich wieder ausschließlich um die Bewachung des

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