Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
sonst.
»Ja, Junge … Ich habe deinen Anteil«, sagte Scarabello und gab dem Einäugigen ein Zeichen.
Der hielt ihm einen dicken, schweren Lederbeutel hin, der mit einem goldenen Band verschlossen war.
Scarabello nahm ihn und öffnete ihn.
Mercurio bemerkte, dass seine Hände dabei zitterten.
Scarabello zog einen Handschuh aus, um die Münzen abzuzählen. Sein Handrücken war eine einzige eitrige Wunde. Als er bemerkte, dass Mercurio darauf starrte, sagte er lächelnd: »Ich gebe zu, mir ist es schon besser gegangen.«
»Ja, das sehe ich«, antwortete Mercurio hart und schaute ihn mit leeren Augen an.
Dieser Blick löste bei Scarabello Erstaunen und Betroffenheit aus. »Oh, du bist ein Mann geworden«, sagte er leicht keuchend. »Und das in wenigen Tagen.«
Mercurio streckte die Hand aus. »Gib mir mein Geld.«
Scarabello zählte die Summe ab, die er ihm schuldete, und legte ihm die Münzen einzeln in die Hand. Bei der letzten hielt er jedoch inne. »Nur große Niederlagen machen uns zu Männern. Was ist dir zugestoßen?«
»Das geht dich nichts an«, erwiderte Mercurio und nahm ihm grob die Münze aus der Hand.
Der Einäugige machte eine Bewegung, als wollte er eingreifen.
»Nein«, wehrte Scarabello ab. »Sie gehört ihm.«
Mercurio starrte den Einäugigen herausfordernd an.
Scarabello lächelte und erklärte seinem Gefolgsmann: »Von heute an solltest du ihm lieber aus dem Weg gehen. Dieser Mann hat nichts mehr zu verlieren.«
»Du und deine Vorliebe für philosophische Sprüche«, sagte Mercurio. Er wandte sich zum Gehen, doch dann blieb er stehen. »Und was war deine große Niederlage?«, fragte er Scarabello.
Scarabello zeigte auf seine zerfressene Lippe. »Das hier«, sagte er. Und dann fiel er zu Boden.
Als Scarabello von Mercurio gestützt den Stall betrat, breitete sich unvermittelt angespannte Stille aus.
Lanzafame zog sein Schwert.
Isacco näherte sich mit hartem Blick: »Was willst du noch von uns?«, fragte er Scarabello.
»Er ist krank …«, sagte Mercurio.
»Ja und?«, fragte Lanzafame und umklammerte das Schwert in seiner Hand noch fester.
»Ja und, er ist Arzt«, erwiderte Mercurio.
»Nicht für den da«, erklärte Lanzafame und führte die Klinge an Scarabellos Kehle. »Für den bin ich zuständig.« Er sah ihn an. »Erinnerst du dich an Donnola?«
Scarabello lächelte schwach. »Hauptmann, Ihr braucht ihn … nicht zu rächen …«, sagte er kaum hörbar. »Dafür hat Donnola … schon selbst gesorgt …« Er berührte seine Lippe. »Das hier … ist sein Geschenk … an mich … Er hat mich zu einem langsamen und qualvollen Tod verurteilt … keinem so sanften, wie Eure Klinge ihn mir bieten könnte … Lasst zu … dass er … mich tötet …« Scarabello atmete schwer. »Nehmt ihm nicht … dieses Verdienst …« Dann wurde er ohnmächtig.
»Leg ihn dort auf das Bett«, befahl Isacco Mercurio.
»Was zum Teufel fällt dir ein?«, fuhr Lanzafame auf. »Dieser Abschaum hat Donnola ge …«
»Der Junge hat recht!«, schrie Isacco, während alle Huren sich um ihn drängten. »Ich bin Arzt und werde ihn behandeln, bei Gott!«
72
D er Diener betrat den Laden und blickte sich verwundert um. Überall, auf dem Boden, auf dem Tresen und auf den Stühlen lagen unordentlich hingeworfene, zerdrückte Kleider. Selbst die Modepuppe im Schaufenster war umgeworfen worden, und bei dem Fall war ihr Kopf aus bemaltem Holz abgebrochen.
»Ich möchte wissen, wie das geschehen konnte!«, schrie Giuditta und riss wie eine Furie die Kleider herunter, die noch auf der langen Stange hingen. »Wer war das?«
»Beruhige dich, es ist jemand im Laden«, flüsterte Octavia ihr von hinten ins Ohr.
Giuditta fuhr herum, aber sie schien den Diener, der dort stand, gar nicht wahrzunehmen. »Ich will wissen, wer das getan hat!«, schrie sie erneut. Wut erfüllte ihren ganzen Körper. Seit sie Mercurio fortgeschickt hatte, hatte sie nicht eine einzige Träne vergossen.
Octavia schob sie in Richtung des Anproberaums. »Kümmere dich um ihn, Ariel«, sagte sie zu dem Stoffhändler und zeigte auf den Diener.
»Warst du das?«, schrie Giuditta die Schneiderin an, die dort nähte. »Hast du das getan?« Und sie zeigte ihr den Innensaum eines Kleides, in dem sie ein Stück Schlangenhaut gefunden hatte.
Die Schneiderin zog den Kopf ein. »Giuditta …«, sagte sie leise.
»Wie kannst du nur so etwas denken?«, sagte Octavia vorwurfsvoll.
»Die Kleider sind voller Glasscherben, Schlangenhaut und
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