Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
das nach Mestre zurückkehrte. Am Anlegeplatz stieg er aus und ging zu Annas Haus.
Außer Giuditta gab es nur einen Menschen, der ihm seine Frage vielleicht beantworten konnte.
»Ich muss mit Euch reden, Doktor«, sagte Mercurio zu Isacco, der sich gerade über eine Hure beugte, um eine ihrer Wunden zu behandeln.
Isacco drehte sich um und sah ihn an. Dann nickte er und folgte ihm nach draußen.
Schweigend gingen sie bis zur Viehtränke. Dort blieben sie Seite an Seite stehen, ohne einander anzusehen.
Mercurio fühlte sich schwach, aber er konnte nicht warten. Er musste Bescheid wissen, brauchte Gewissheit darüber, ob die Hoffnung, die ihn den ganzen Tag erfüllt hatte, sich in nichts auflösen würde oder Gestalt annehmen konnte.
Isacco sagte kein Wort. Er stand einfach da und betrachtete den in der Sommerhitze flimmernden Horizont.
Mercurio holte tief Luft und wandte sich leise, beinahe zaghaft an ihn. »Warum?«, fragte er nur.
Isacco antwortete nach kurzem Zögern, als müsste er die Frage erst nachklingen lassen, und seine Stimme war warm und voller Mitgefühl: »Weil sie dich liebt, mein Junge.«
Da wurde Mercurio von maßloser Angst ergriffen.
»Helft mir«, stammelte er nur.
78
S igillum diaboli«, sagte der Heilige. »Weißt du, was das bedeutet, Jüdin?«
Giuditta starrte ihn angsterfüllt an. Nach der Nacht in einer finsteren, feuchten Kerkerzelle war sie im Morgengrauen in diesen Raum gebracht worden, wo an einer Wand Folterwerkzeuge hingen und an den anderen Eisenringe und Ketten eingelassen waren. In der Mitte des großen, feuchten Gewölbes stand ein Tisch.
Der Heilige war zum Inquisitor ernannt worden, und er hatte sich neben einem kräftigen Mann aufgebaut, dem Henker.
»Also, weißt du nun, was das sigillum diaboli ist?«, wiederholte Fra’ Amadeo.
Giuditta schüttelte verängstigt den Kopf.
»Vieh wird stets von seinem Herrn gebrandmarkt, um seinen Besitz zu kennzeichnen«, erklärte Bruder Amadeo grinsend. »Und aus dem gleichen Grund hat auch dein Herr, der Teufel, Satan höchstpersönlich, ein Zeichen auf dir hinterlassen.« Er kam auf sie zu. »Und dieses Zeichen werde ich jetzt finden, du Hexe.«
Giuditta erschauerte vor Angst.
»Walte deines Amtes, Henker«, sagte der Heilige. »Möge die Hand unseres Herrn über dir wachen.«
Der Henker schärfte zunächst ein Rasiermesser an einem Lederstreifen. »Zieh dich aus«, sagte er gleichmütig, wie jemand, der einfach seine Arbeit tat.
»Nein …«, flüsterte Giuditta mit schreckgeweiteten Augen und wich einen Schritt zurück. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, als wäre sie bereits nackt.
Der Henker wandte sich an die beiden Soldaten, die Giuditta gebracht hatten. »Zieht sie aus«, befahl er.
»Nein …«, flehte Giuditta noch einmal und sah sich um. Als die Soldaten neben ihr standen, floh sie wie ein ängstliches Vögelchen zu der Tür, die sie von ihrer Freiheit trennte, und schlug mit den Händen gegen das mit dicken Eisenstangen verstärkte Lärchenholz. Verzweifelt kratzte sie mit den Nägeln daran. »Nein! Bitte nicht!«, schrie sie, während die Soldaten sie packten.
Die beiden Wachen schleppten sie in die Mitte des Raums.
Der Henker ging zu ihr. »Wenn du dich wehrst, werden sie dir die Kleider vom Leib reißen«, erklärte er ihr mit ruhiger Stimme. »Und wenn wir fertig sind und du dich wieder anziehen sollst, hast du nur noch ein zerrissenes Gewand und bleibst mehr oder weniger nackt.«
»Bitte …«
»Wehr dich nicht, dann werden sie dich weniger unsanft entkleiden«, wiederholte der Henker.
Daraufhin senkte Giuditta ergeben ihre Arme. Während sie die Hände der beiden Wachen auf sich spürte, die ihr Mieder aufschnürten, ließ sie auch den Kopf sinken, und heiße dicke Tränen liefen ihre Wangen hinunter.
»Womit wollt Ihr beginnen, Inquisitor?«, fragte der Henker, als Giuditta entblößt neben ihm stand.
Der Heilige deutete auf ihre Scham.
»Legt sie auf den Tisch«, befahl der Henker.
Die beiden Wachen packten Giuditta und hoben sie auf einen mit Eisenringen versehenen Holztisch. Nachdem sie ihr die Handgelenke über dem Kopf gefesselt und die Knöchel jeweils an der unteren Seite des Tisches festgebunden hatten, trat der Henker hinzu. Er schloss einen breiten, rauen Eisenring um Giudittas Hüfte, sodass sie sich nun gar nicht mehr rühren konnte. Dann betätigte er eine Kurbel, und der untere Teil des Tisches teilte sich. Als er mit dem Kurbeln aufhörte, waren Giudittas Beine weit
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