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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Prozess eignen als dieser heikle Fall einer Jüdin, die mit ihren Kleidern Venedigs Frauen verhext und ihnen ihre Seele geraubt hat? Die Sache ist in aller Munde, sie wird beim niederen Volk ihre Wirkung zeigen, Dichter und Sänger begeistern … Eine Fremde, noch dazu eine Jüdin und damit vom falschen Glauben, die das Wohl Venedigs angreift. So wird die Kirche … die Kirche!«, wiederholte er leidenschaftlich, »die Bürger der Republik Venedig retten. Habe ich recht, Heiliger?«
    »Vollkommen recht, Patriarch«, sagte Fra’ Amadeo und verneigte sich tief.
    »Und deshalb, Inquisitor«, sagte der Patriarch, »bringt sie nicht schon vor dem Prozess um …«
    »Nein, Patriarch. Ich …«
    »Unterbrich mich nicht!«
    Der Heilige kniete sich demütig nieder.
    »Bring sie nicht um und zeig sie dem Gericht nicht als Märtyrerin. Sie darf kein Mitleid erregen. Verstehst du mich? Wir müssen anders verfahren als in unseren üblichen Prozessen, die hinter verschlossenen Türen stattfinden. Wir müssen all unsere Klugheit einsetzen, die Gott uns in seiner Gnade gewährt hat.«
    »Ja, Patriarch.«
    »Sie soll schön aussehen«, sagte der Patriarch. »Denk daran, Inquisitor, das Böse ist immer verführerisch. Hast du jemals gehört, dass der Teufel einem Dreck angeboten hätte?«
    Der Heilige schwieg.
    »Muss ich dich noch einmal fragen?«, beharrte der Patriarch.
    »Nein.«
    »Der Teufel bietet niemals Dreck an, ist es nicht so?«
    »So ist es.«
    »Sondern er bietet Macht, Reichtum und Schönheit, ist es nicht so?«
    »Genauso ist es.«
    »Und wenn es nicht so aussieht, als hätte dieses Mädchen Macht, Reichtum und Schönheit erhalten … wer wird dann glauben, dass es einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat?«
    »Niemand.«
    »Ganz und gar niemand, hättest du sagen sollen.«
    Der schwarz gekleidete Geistliche lachte schallend.
    »Man hat dich mir allein deshalb als Inquisitor empfohlen, weil das Volk von Venedig dich kennt. Du hast ja eine gewisse Berühmtheit erlangt wegen dieser …«, der Patriarch verzog angewidert das Gesicht, »dieser Löcher an deinen Händen.« Er vermied ganz bewusst das Wort Stigmata, und in seinem Blick lag Verachtung. »Wirst du in der Lage sein, den Prozess zu führen?«, fragte er ihn dann. »Oder soll ich mir besser einen anderen Streiter suchen?«
    »Gewährt mir diese Gelegenheit, Patriarch. Ich werde Euch nicht enttäuschen. Ich verfolge diese Hexe nun schon seit Monaten«, ereiferte sich der Heilige.
    »Mach daraus keinen persönlichen Kreuzzug«, ermahnte ihn der Patriarch. »Du arbeitest für mich wie ich für Seine Heiligkeit in Rom, dessen Wirken wiederum dazu dient, den Ruhm Unseres Herrn zu mehren.«
    »Ich bin Euer ergebener Diener«, sagte Fra’ Amadeo.
    »Dann tritt näher.«
    Der Heilige tat wie geheißen.
    »Eine der Frauen, die die Jüdin beschuldigt haben, steht in üblem Ruf«, flüsterte der Patriarch ihm ins Ohr. »Zu allem Unglück ist sie die Geliebte meines armen, verrückten Neffen Rinaldo … der dir bekannt sein dürfte, da du selbst aus dem Wahnsinn des Fürsten deinen Vorteil ziehst. Zumindest erzählt man sich das.«
    Fra’ Amadeo errötete.
    »Jetzt werd doch nicht gleich rot wie ein zimperliches Jüngferchen«, sagte der Patriarch mit eiskalter Stimme. »Wo Verfall herrscht, gibt es immer Würmer und Parasiten.« Der Patriarch packte den Heiligen mit zwei Fingern am Ohr und zog ihn zu sich heran. »Mich interessiert nur, dass der Name meiner Familie nicht mit besagter Frau oder diesem Prozess in Verbindung gebracht wird. Jedenfalls nicht öffentlich. Daher wirst du diese Hure, die im Kleinen Palazzo Contarini lebt, gründlich unterweisen, bevor sie ihre Aussage macht. Bleibt dabei der Name meines Neffen unerwähnt, werde ich sie belohnen. Sollte sie ihn nennen, erklär ihr das genau, dann wird der Henker seine eisernen Zangen auch für sie in die Glut legen.«
    Der Heilige wich erschrocken einen Schritt zurück und nickte. »Ihr habt nichts zu befürchten.«
    Der Patriarch winkte seine Begleiter herbei, die sogleich an ihn herantraten und ihm beim Aufstehen halfen. Dann stützten sie ihn, während er sich zur Tür wandte, ohne einen weiteren Blick auf Giuditta geworfen zu haben. Als er den Ausgang beinahe erreicht hatte, wandte der Patriarch sich noch einmal dem Heiligen zu, der ihm in tiefer Verneigung seitlich gehend gefolgt war. »Das Volk von Venedig kennt dich. Allein deshalb bekommst du diese Gelegenheit, obwohl dir jede Erfahrung in

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