Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
ihren verfaulten Stümpfen befreiten, und legte auch sie in die Glut.
»Rasier ihr schon mal die Haare und Achselhaare ab«, sagte der Heilige. »Und dann mach das heiße Klistier und den Spreizer für die Untersuchung des Afters bereit.«
Der Henker hielt einen Moment lang inne, als wollte er sich gegen den Befehl auflehnen. Doch dann tat er wie geheißen.
Währenddessen hatte sich Fra’ Amadeo Giudittas Ohr genähert. »Ich werde flüssiges Blei in dich gießen, wenn du deine Missetaten nicht gestehst«, flüsterte er ihr drohend zu. »Und zwar in jede Öffnung, die Satan geschändet hat.« Er grinste höhnisch. »Dann werden wir schon sehen, ob dein Herr kommen wird, um dich zu retten. Wir werden sehen, ob es sich für dich gelohnt hat, ihm deine Seele zu verkaufen.«
»Ich bitte Euch … Bitte …«, stöhnte Giuditta weinend. Mehr brachte sie nicht heraus.
Der Henker näherte sich ihr wieder mit dem Rasiermesser und einem Krug Wasser und Lauge.
Er goss ihr ein wenig davon unter eine Achsel und rasierte erst die eine, dann die andere. Schließlich seifte er ihre Haare ein. Er hatte gerade das Rasiermesser an der Stirn angesetzt, als die Tür zur Folterkammer heftig aufgerissen wurde.
»Wer wagt es, hier zu stören?«, donnerte Fra’ Amadeo.
Vier Wachsoldaten der Republik Venedig betraten das Gewölbe und stellten sich jeweils zu zwei Mann auf beiden Seiten der Tür auf. Ihnen folgte ein Geistlicher in einem auf den ersten Blick bescheidenen schwarzen Talar, doch der Glanz des Stoffs verriet seine Kostbarkeit. Hinter ihm kam, gestützt auf zwei junge Geistliche mit frischer Tonsur, ein schmächtiger alter Mann, dessen Ausstrahlung jedoch von Erhabenheit kündete. Er trug eine Haube mit einem roten Federbusch und hielt einen goldenen Bischofsstab in der Hand.
»Seine Exzellenz, Antonio Contarini, Patriarch von Venedig«, meldete der schwarz gekleidete Geistliche.
Der Henker verneigte sich tief, ebenso wie die beiden Wachen, die Giuditta hergeschafft und gefesselt hatten.
Fra’ Amadeo lief eilig auf den höchsten Mann der Kirche von Venedig zu und warf sich vor ihm auf die Knie, während er versuchte, seine Hand zu erhaschen und seinen Ring zu küssen.
Der Patriarch winkte angewidert ab. »Küsse ihn, ohne mich zu berühren«, sagte er mit einer feinen, leicht grellen Stimme, die aber dennoch entschieden klang. »Mir graut vor deinen Händen.«
Der Heilige näherte seine Lippen dem Ring und küsste ihn, ohne die behandschuhte Hand des Patriarchen dabei zu halten.
»Wie ich sehe, bin ich gerade noch rechtzeitig gekommen«, sagte der Patriarch und warf einen flüchtigen Blick auf Giuditta, die nackt und gefesselt auf dem Tisch lag, und auf die Folterwerkzeuge, die sich im Glutbecken allmählich rot verfärbten. »Mach dein Feuer aus, Henker.«
»Aber, Eure Heiligkeit …«, hob Fra’ Amadeo an.
Der Patriarch brachte ihn mit einem vernichtenden Blick zum Schweigen. »Wag es ja nicht, mich zu unterbrechen«, sagte er. Dann zog er eine Braue hoch. »Außerdem scheinst von uns beiden du der Heilige zu sein«, sagte er und warf dabei dem Schwarzgekleideten ein ironisches Lächeln zu. »Stuhl«, befahl er.
Die beiden jungen Geistlichen holten einen Stuhl und halfen ihm, darauf Platz zu nehmen.
Der Patriarch seufzte erschöpft. Er führte Daumen und Zeigefinger der linken Hand an den Nasensattel und drückte ihn auf Höhe der Augen zusammen, als wollte er auf diese Weise einen Kopfschmerz vertreiben.
Der Geistliche im schwarzen Talar hielt ihm ein Fläschchen unter die Nase und entfernte den Stöpsel.
Der Patriarch schnupperte daran, und nachdem er ein paarmal gehustet hatte, schien es ihm besser zu gehen. Er dankte dem Geistlichen mit einem Nicken. »Rom wünscht ja schon lange einen öffentlichen Prozess, auch wenn das nicht unseren Gesetzen entspricht«, sagte er mit seiner hohen Stimme, »um die Macht der Heiligen Mutter Kirche auch hier in Venedig zu bestätigen und zu feiern, wo sie sich von der nur allzu vergänglichen Macht der Dogen und der Politik der Erlauchtesten Republik von Venedig bedrängt fühlt.« Er verzog das Gesicht. Natürlich konnte ihm als adligem Einwohner und Bürger der Stadt Venedig, der unerschütterlich den Idealen von Unabhängigkeit und Freiheit der Republik anhing, dieser Befehl des Kirchenoberhauptes nicht gefallen. Doch als Diener Gottes musste er ihm gehorchen. »Gottes Wille geschehe.« Er sah den Heiligen an. »Und was könnte sich besser für einen öffentlichen
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