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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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fester zusammen. Dann rannte er ohne ein weiteres Wort hinaus aufs offene Land und lief so lange ziellos durch die Gegend, bis er völlig erschöpft war. Er ließ sich bäuchlings ins Gras fallen, das die Sommerhitze langsam gelb färbte, und vergrub seine Hände in der trockenen Erde. So blieb er starr liegen, während die Sonne ihm auf den Rücken brannte, unfähig, auch nur eine einzige Träne zu vergießen.
    »Sag es Mercurio …«, flüsterte er und hätte nicht ermessen können, wie lange er schon dort lag, wie lange es her war, dass die Welt aufgehört hatte, für ihn zu existieren.
    Er hob den Kopf, und die Sonne blendete ihn.
    »Warum?«, schrie er dem Himmel entgegen.
    Als er endlich aufstand und umkehrte, sah er Isacco und Lanzafame an der Viehtränke stehen. Isacco hatte sich, von Schmerz und Schuldgefühlen zerrissen, auf einen Stein gesetzt und weinte. Lanzafame stand neben ihm und starrte mit verschränkten Armen in die Sonne.
    Mercurio zögerte. Er verspürte Wut und Angst, doch zugleich keimte auch so etwas wie Hoffnung in ihm auf.
    »Warum?«, flüsterte er.
    Er erinnerte sich an den Tag, als Giuditta ihm gesagt hatte, alles sei aus zwischen ihnen. Er dachte daran, dass er ihr wie ein streunender Hund gefolgt war und beobachtet hatte, wie sie Joseph geküsst hatte, den Jungen, den Isacco ihr als Begleiter an die Seite gestellt hatte, um sie vor ihm, Mercurio, zu schützen.
    Erneut stieg Zorn auf den Doktor in ihm auf. Es ist alles deine Schuld, dachte er.
    Alles kam ihm sinnlos vor. Und doch hatte er auf einmal das dringende Bedürfnis, die Antwort auf eine Frage finden, die ihn schon seit einer Weile quälte.
    »Warum?«, wiederholte er, während er zur Anlegestelle der Fischer rannte, und er sagte es sich weiter vor, während Tonio und Berto ihn mit raschen Ruderschlägen nach Venedig zur Cannaregio-Brücke brachten.
    Er sprang aus dem Boot, und seine Hand glitt prüfend in die Tasche mit dem Messer. Dann lief er zum Platz des Ghetto Vecchio und wartete. Er fühlte sich zu allem bereit, doch erst musste er sich Klarheit verschaffen.
    »Sag es Mercurio«, hörte er eine Stimme in seinem Kopf. Und ihm kam es vor, als wäre es wirklich Giuditta, die zu ihm sprach. »Sag es Mercurio …«
    Und endlich tauchte Joseph auf, denn er war es, auf den Mercurio mit wachsender Anspannung gewartet hatte.
    Als er ihn schlenkernd näher kommen sah, wurde ihm bewusst, dass er schon fast vergessen hatte, wie groß und kräftig Joseph war.
    Er folgte ihm, bis sie sich in einer dunklen verlassenen Gasse befanden. Dort fiel Mercurio mit dem Messer in der Hand über ihn her und hielt es ihm an die Kehle. »Erkennst du mich, du Mistkerl?«, fragte er und blies ihm seinen Atem drohend ins Gesicht.
    Joseph nickte bedächtig.
    »Was ist zwischen dir und Giuditta?«, fragte Mercurio und drückte ihm die Klinge fester an die Kehle. Dabei gelang es ihm kaum, die Augen von Josephs Mund abzuwenden, der Giudittas Lippen geküsst hatte. »Antworte, du Dreckskerl!«
    »Du tust mir weh«, sagte Joseph gelassen.
    »Willst du wissen, was wirklich wehtut?«, fragte Mercurio ihn noch wütender und drückte ihm die Messerspitze genau unter das Kinn. »Wenn du mir nicht antwortest, kommt dieses Messer gleich aus einem deiner Augen wieder raus, hörst du?!«
    Joseph nickte wortlos. Doch sobald Mercurio den Druck des Messers verringerte, befreite er sich mit einer in Anbetracht seiner Körperfülle unglaublichen Geschicklichkeit und drehte den Spieß um. Jetzt war er es, der Mercurio gegen die Mauer stieß, nachdem er ihm ein Handgelenk verdreht und ihn dazu gezwungen hatte, das Messer fallen zu lassen. Er presste ihm den Unterarm gegen den Hals und nahm ihm so jede Möglichkeit, sich zu wehren.
    »Ich bin zwar nicht schlau. Aber ich bin stark und weiß, wie ich meine Kräfte einsetzen muss«, sagte er ruhig. »Das Einzige, was ich wirklich gut kann, ist Kämpfen.«
    Mercurio starrte ihn hasserfüllt an.
    »Zwischen mir und Giuditta ist gar nichts«, sagte Joseph schließlich.
    »Aber warum … hast du sie dann geküsst?«, stammelte Mercurio.
    »Ich weiß nicht«, gestand Joseph errötend. »Giuditta hat mir gesagt, ich soll es tun, und da habe ich es eben getan, ohne weiter nachzufragen. Ich kenn mich nicht aus mit Frauen. Die machen mich nur verlegen …« Er sah Mercurio mit seinen sanftmütigen Kuhaugen an. »Ich gehe jetzt«, sagte er. »Mach keinen Unsinn.«
    Mercurio nickte langsam.
    Joseph nahm seinen Unterarm weg, dann tat er

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