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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Lehrmeister gewesen. Danke, du Riesenbastard, dachte er.
    »Spuck auf das Werkzeug, so wird das Unglück gebannt«, sagte Donnola und öffnete vor Isaccos Nase eine riesige Tasche aus abgenutztem Leder voller chirurgischer Instrumente.
    Isacco spuckte ohne zu zögern darauf und sagte dann laut, sodass alle Verwundeten auf dem Karren es hören konnten: »Der Fluch von Candias Fieber ist jetzt gewichen.«
    Donnola sah ihn verwundert an. »Üblicherweise verweigern sich Ärzte solchen Bräuchen …«, raunte er ihm misstrauisch zu. »Sie betrachten sie als unvereinbar mit ihrer Wissenschaft.«
    »Dann bin ich also kein Arzt?«, fragte Isacco ihn. Er schaute den anderen an, ohne den Blick zu senken, und legte dabei genau die Selbstsicherheit an den Tag, die ihn sein Leben als Betrüger gelehrt hatte.
    Donnola starrte ihn weiter schweigend an.
    »Gib ihm etwas Starkes zu trinken, besser Schnaps als Wein, binde ihn fest und hol mir eine gerade und eine gebogene Säge«, sagte Isacco. »Natürlich erst, sobald du beschlossen hast, dass ich wirklich Arzt bin.«
    Donnola schüttelte sich kurz, beugte sich über die Tasche und angelte zwei Instrumente daraus. »Gerade Säge und gebogene Säge. Zu Euren Diensten … Herr Doktor.«
    Isacco ergriff die Instrumente. Führe meine Hände, H’ava, wenn es das ist, was du von mir willst, betete er still.
    Während Hauptmann Lanzafame Giuditta Brot und gepökeltes Rindfleisch reichte, hallte der Schrei des jungen Soldaten über das Feld und ließ alle erschauern.
    Einen Augenblick lang verstummten die Gesänge, um gleich darauf nur noch lauter zu erschallen.
    Während Isacco die Säge in das Bein des jungen Kerls trieb, spürte er, wie ihm Tränen übers Gesicht rannen und seine Kehle sich zuschnürte.
    Steh mir bei, mein Liebes, flehte er stumm seine Frau an.

9
    I sacco arbeitete die Hälfte des Tages auf dem ersten Karren, dann wechselte er auf den zweiten über. Die Stunden, die er über die Verletzten gebeugt verbrachte, vergingen in grausamer Eintönigkeit, nur hier und da unterbrochen durch eine Kirchenglocke irgendwo auf dem Land, die in klagendem Ton die christlichen Gebetsstunden ankündigte. Bis zum Abend, als die Sonne schon tief am Himmel stand, hatte Isacco nicht einen Moment aufgehört, in Fleisch zu schneiden, Knochen zu durchsägen, Amputationsstümpfe und Blutungen zu kauterisieren, Brüche zu richten, klaffende Wunden zu nähen, Pfeilspitzen zu entfernen und Salben auf Wunden zu schmieren. Doch dann endlich hatte er auch die Leute auf dem zweiten Karren versorgt.
    Als er in blutgetränkten Kleidern taumelnd über die Holzleiter nach draußen kletterte, gefolgt von Donnola, der die Tasche mit den chirurgischen Instrumenten trug, streckte sich Isacco, kaum dass er in der feuchten, kühlen Luft stand, der bleichen, von leichtem Dunst verhüllten Abendsonne entgegen und massierte sich den schmerzenden Rücken.
    Donnola brachte zwei Schalen mit heißer Brühe, zwei Würste und zwei Kanten harten Brotes. Isacco nahm sich die Brühe und das Brot.
    »Ach ja, Eure Religion verbietet euch, Schweinefleisch zu essen«, sagte Donnola. »Ihr wisst gar nicht, was Ihr versäumt«, fügte er hinzu und biss in die erste Wurst.
    Isacco nickte abwesend, er war an solcherlei Kommentare gewöhnt und weichte das Brot in der Brühe auf. Beide blieben in der Kälte stehen und aßen schweigend. Dann atmete Isacco zwei-, dreimal tief durch, bevor er sagte: »Das fällt einem sonst ja nicht auf. Aber die Luft riecht einfach gut.« Dann füllte er sich noch einmal die Lungen, als müsste er sich einen Vorrat dieser reinen, frischen Luft anlegen, bevor er sich wieder in den Gestank der Karren begab. »Ich müsste meine Notdurft verrichten«, sagte er dann und sah seinen Gehilfen an.
    Donnola begegnete ausdruckslos seinem Blick. Als er bemerkte, dass der Arzt ihn weiter anstarrte, sagte er: »Nur zu.«
    »Gibt es hier denn keine Latrine?«, fragte Isacco unangenehm berührt.
    Donnola breitete die Arme aus. »Die ganze Welt ist eine Latrine«, rief er lachend. Und weil Isacco sich immer noch nicht rührte und ihn weiter erwartungsvoll ansah, fügte er hinzu: »Seid Ihr etwa schamhaft, Herr Doktor?«
    Isacco raffte sich auf und sah sich suchend um. Er bemerkte einen Busch, der in ausreichender Entfernung vom Lager stand, und ging darauf zu.
    Donnola machte sich über seine Hemmungen lustig. »Kacken muss doch ein jeder, Herr Doktor, auch die Besten. Dafür muss man sich doch nicht schämen«, rief

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