Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
Vom Netzwerk:
sagte er laut.
    »Amen«, erwiderte der Heilige und kehrte an seinen Platz zurück.
    »Und jetzt der Verteidiger«, sagte der Patriarch mit deutlich weniger Interesse, wie um den Leuten zu zeigen, dass der, den er gleich vorstellen würde, seiner Meinung nach vollkommen unbedeutend war. »Pater Venceslao … Was für ein Name, Pater«, sagte er lächelnd.
    Die Menge lachte.
    »Pater Venceslao da Ugovizza«, fuhr der Patriarch fort. »Und wo liegt das?«
    Die Menge wandte sich dem Mönch zu, der die typische Tracht der Dominikaner trug: weiße Kutte und Skapulier, schwarzer Umhang mit Kapuze. Unsicher erhob er sich der Geistliche von dem Tisch, an dem er gesessen hatte. Mit seinen weißlich trüben Augen, die wohl vom Grauen Star befallen waren, blickte er zu dem Patriarchen hinüber, anscheinend ohne ihn genau zu erkennen. »Das ist ein kleiner Ort in den Alpen, Exzellenz, der zum Erzbistum von Bamberg gehört«, erklärte er.
    »Dann seid Ihr also Deutscher?«, fragte der Patriarch.
    »Nein, Exzellenz …«
    »Na, das ist ja auch nicht wichtig«, unterbrach der Patriarch den Mönch. »Schließlich sind wir nicht hier, um Geografie zu lernen«, sagte er an die Zuschauer gewandt, die daraufhin belustigt auflachten. »Seid Ihr vorbereitet auf Eure … undankbare Aufgabe, Pater Venceslao?«, fragte er dann.
    »Um der Wahrheit die Ehre zu geben, nicht gerade gut«, sagte der Dominikaner und umrundete vorsichtig den Tisch, wobei er die Hände vorstreckte, um nicht zu stolpern. »Ich weiß überhaupt nichts über Inquisitionsprozesse.«
    Der Patriarch erstarrte. »Pater, Ihr braucht nicht so bescheiden zu sein«, mahnte er ihn dann.
    »Nein, nein, das ist die reine Wahrheit, Exzellenz«, erwiderte der Dominikaner.
    »Pater!«, unterbrach ihn der Patriarch laut. »Dann verlasst Euch eben darauf, dass Unser Herr Euch leiten wird.«
    »Wie Ihr befehlt«, sagte der Verteidiger und verneigte sich tief.
    »Ich habe hier nichts zu befehlen«, berichtigte ihn der Patriarch verlegen. »Ich erteile Euch nur einen Rat.«
    »Jeder Rat von Euch ist für mich wie ein Befehl«, sagte Pater Venceslao demütig.
    Die Menge lachte laut über ihn.
    Isacco, der in einer der ersten Reihen saß, sah zunächst seine Tochter Giuditta an und reckte die Fäuste in die Luft als Geste der Ermutigung, dann zischte er Octavia, die neben ihm saß, wütend ins Ohr: »Das ist eine Posse, und sie machen sich noch nicht einmal die Mühe, es zu verbergen.« Er wechselte einen zornigen Blick mit Lanzafame.
    Die Miene des Hauptmanns verhieß nichts Gutes. »Keine Sorge«, flüsterte er Giuditta dennoch aufmunternd zu.
    Giuditta klammerte sich an die Gitterstäbe und schaute auf den unscheinbar wirkenden Mann, der sie eigentlich verteidigen sollte, sie aber nicht einmal angesehen hatte. Er hinkte leicht, wirkte demütig und unsicher, fühlte sich anscheinend nicht recht wohl in seiner Haut. Seine Augen waren weißlich getrübt, die knollige Nase grobporig und die Wangen voller geplatzter Äderchen wie bei einem Säufer. Seine Tonsur war von Pusteln übersät. Die Hände mit einem schmutzigen Rand unter den Nägeln fingerten ständig an dem Rosenkranz herum, der ihm an der Seite von einem Ledergürtel herabhing.
    »Keine Sorge«, wiederholte Lanzafame.
    Giuditta drehte sich zu ihm um. »Sagt Ihr das zu mir oder zu Euch selbst?«
    Lanzafame blieb ihr die Antwort schuldig und senkte den Blick.
    »Wollt Ihr nicht vorher mit der Angeklagten sprechen, die Ihr verteidigt?«, fragte Giustiniani Pater Venceslao, wie um ihm nahezulegen, dass er dies dringend tun sollte.
    Der Dominikanermönch schaute unschlüssig mit seinen leeren Augen zu dem Patriarchen hinüber. Er schwieg einen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf. »Nein … ich glaube nicht«, sagte er und kehrte dann hastig an seinen Platz am Tisch zurück. »Bitte … sprecht Ihr«, flüsterte er dem Heiligen zu. »Befreit mich aus dieser Zwickmühle.«
    »Ich bitte darum, mit meiner Anklagerede beginnen zu dürfen, Patriarch«, erklärte der Heilige feierlich und erhob sich.
    »Seid Ihr bereit, exceptor ?«, fragte der Patriarch den Schreiber, einen schmächtigen kleinen Mann mittleren Alters, der mit einer Gänsefeder mit goldener Spitze in der Hand an einem kleinen Schreibpult saß und sein Schreibgerät nun schnell in ein großes Tintenfass eintauchte, um auf einem viermal gefalteten Stück Pergament zu schreiben, das von einem doppelt genähten Baumwollfaden zusammengehalten wurde und so sechzehn Blätter

Weitere Kostenlose Bücher