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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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wieder den Kopf und sah ihn mit gehetztem Blick an. Dann drehte er sich um und rannte davon.
    Er lief zu Annas Haus und hämmerte dort an die Tür.
    Als Anna angstvoll die Tür öffnete, waren Isacco und Lanzafame bereits zur Stelle.
    »Ich bitte Euch, Signora«, sagte Zolfo flehend zu ihr, während er sich zugleich beunruhigt zu Isacco und Lanzafame umwandte, die nur noch ein paar Schritte von ihm entfernt waren. »Mercurio ist in Gefahr … Sagt mir, wo er ist … bitte … Der Jude aus Rom ist nicht tot … Er ist hier, Signora …«
    »Ich hab dir doch gesagt, verschwinde!«, rief Lanzafame.
    »Was für ein Jude …?«, fragte Anna nach.
    »Bitte … bitte …«, jammerte Zolfo und legte sich eine Hand an den Hals. »Er … hat hier … eine Narbe … und …«
    »Das soll dieser Jude sein?« Plötzlich begriff Anna.
    »Ja … der Jude aus Rom.«
    »Der ist kein Jude«, sagte Anna darauf. »Der Mann heißt Alessandro Rubirosa. Der Ärmste ist stumm. Ich habe ihm etwas zu essen gegeben, und er hat mir sein Taufzeugnis gezeigt, damit ich seinen Namen erfahre.«
    »Nein, nein!«, rief Zolfo. »Das ist der Jude! Warum glaubt mir denn keiner?«
    »Vielleicht weil du uns alle hier schon einmal hintergangen hast, Kleiner«, sagte Anna mit zusammengekniffenen Augen. »Mercurio will dich hier nicht haben. Also gehst du lieber, wenn du nicht willst, dass ich dich wegjage.«
    Lanzafame packte Zolfo am Kragen seiner schmutzigen Jacke und stieß ihn wütend weg. Der Junge fiel in den Straßenstaub, und als Lanzafame einen Fuß hob, als wollte er ihn treten, rannte er panisch davon.
    Er rannte, bis seine Beine vor Erschöpfung nachgaben. Keuchend blieb er stehen und fand sich auf einer ausgedörrten Wiese wieder.
    »Du bist nicht tot …«, flüsterte er.
    Er setzte sich auf die Knie, schloss die Augen und sah Ercole vor sich, wie er verwundert seine Wunde anstarrte, aus der das Blut quoll. Langsam sackte Zolfo in sich zusammen. »Ercole tud weh«, sagte er in dessen seltsamer Sprache.
    »Du bist nicht tot«, wiederholte er dann noch einmal und presste sich die Hände vors Gesicht.
    Und wieder sah er Ercole vor sich, wie er auf der Pritsche in der Hütte an den Armengräbern lag, hörte den grauenvollen Laut, den er ausgestoßen hatte, als das Leben aus seinem Körper wich. Und er sah, wie Ercoles großes, törichtes Gesicht sich furchtsam verzerrte.
    »Du bist nicht tot!«, schrie er mit verzweifelter Wut, ehe er aufsprang und voller Entschlossenheit beide Arme gen Himmel streckte.
    Jetzt gab es einen Grund für ihn weiterzuleben. Einen einzigen, aber ehrlichen Grund.

85
    S himon ruderte aus Leibeskräften, aber es gelang ihm nicht, die Geschwindigkeit des Bootes zu halten, in das Mercurio gestiegen war. Er sah, wie es sich immer weiter von ihm entfernte. Die beiden Männer an den Riemen waren zu schnell für ihn. Das mussten Berufsruderer sein, dachte Shimon verstimmt.
    Die glühende Sommerhitze brachte ihn ins Schwitzen, sie brannte in seinen Lungen und ließ sein Herz rasen.
    Shimon biss die Zähne zusammen und tauchte die Ruder in die stehenden Wasser der Lagune. Er hasste diese Stadt immer mehr, in der alles so umständlich war. Wenn man hier jemanden verfolgte, musste man zumeist den Wasserweg wählen, und das war nicht immer einfach zu bewerkstelligen.
    Aber er durfte Mercurio nicht aus den Augen verlieren.
    In den vergangenen beiden Tagen war Mercurio plötzlich verschwunden und nicht mehr zum Schlafen in das Haus in Mestre zurückgekehrt, und so war Shimon von der höchsten Freude darüber, ihn gefunden zu haben, in die tiefste Verzweiflung verfallen, weil er glaubte, ihn wieder verloren zu haben.
    Während er ruderte, sah Shimon sich angespannt um. Das Boot, dem er folgte, verlor sich zwischen Aberdutzenden anderer auf dem Canal Grande, und er konnte es kaum noch ausmachen. Er versuchte, schneller voranzukommen, doch die Kraft in seinen Armen hatte bereits deutlich nachgelassen.
    In den letzten beiden Tagen, als er befürchtet hatte, Mercurio für immer aus den Augen verloren zu haben, hatte sich Shimon um das Haus am Bewässerungskanal herumgedrückt und sich dabei so unvorsichtig verhalten, dass die Frau, die dort lebte, ihn bemerkt hatte. Einen Moment lang hatte Shimon gedacht, er müsste sie töten. Aber dann hatte sie ihn in ihr Haus eingeladen, weil sie ihn wohl für einen Bettler hielt, und hatte ihm eine warme Mahlzeit angeboten.
    Shimon hatte in der Küche Platz genommen und dabei mit einer Hand den Griff

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