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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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war so stark, dass ihm die Beine versagten und er nicht mehr klar sehen konnte. Doch er fiel nicht, denn etwas hielt ihn aufrecht. Es war der Mann, der ihm das Messer in den Leib gerammt hatte und nun die Klinge einmal in der Wunde umdrehte. Vergebens versuchte Mercurio, ihn klar zu erkennen, denn er hatte bereits Lichtblitze vor Augen.
    Als der Mann das Messer herauszog, fiel Mercurio um wie ein nasser Sack.
    Er vermochte keinen Muskel zu bewegen, konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    Der Mann stand jetzt über ihm und ließ seine schwarze Kapuze nach hinten fallen.
    Mercurio begriff immer noch nicht, wer er war.
    Da stieß der Mann ein Furcht erregendes Zischen aus und näherte sich seinem Gesicht.
    Erst jetzt erkannte Mercurio ihn. »Du …«, stammelte er. »Du … bist nicht … tot … Ich … habe … dich … nicht … getötet …«
    Dann sah er, wie Shimon erneut das Messer erhob.
    In dem Moment hörten sie hinter sich ein lautes Knurren, und im nächsten Moment fiel Mosè Shimon an und verbiss sich in seinen Arm. Das Messer fiel zu Boden.
    Außer sich vor Zorn und Schmerz packte Shimon den Hund am Hals und am Schwanz. Er hob ihn hoch und schleuderte ihn gegen einen der großen Stützpfeiler der Werft.
    Mosè flog durch die Luft und schlug heftig gegen den dicken Balken aus Buchenholz, sodass man zunächst einen dumpfen Aufprall hörte und dann ein Winseln.
    Nun bereute Shimon, dass er den Hund nicht schon vorher getötet hatte. Es war ein Fehler gewesen, ihn zu verschonen. Er drehte sich um, weil er sein Messer suchen wollte.
    Da sah er sich einem zweiten Jungen gegenüber, der ihn hasserfüllt anstarrte.
    »Du Scheißkerl!«, schrie Zolfo, als er Shimon mit aller Kraft das Messer in den Magen stieß. »Du Scheißkerl«, wiederholte er und schlitzte ihm den Bauch auf.
    Shimon riss die Augen auf. Seltsamerweise spürte er noch keinen Schmerz. Nur großes Erstaunen. Nein, das konnte nicht sein, dachte er, als er sich zu Mercurio umdrehte, der aufzustehen versuchte. Er spürte, wie die Klinge sich nun in seinen Rücken bohrte. Nein, dachte er, während er beinahe auf Mercurio fiel.
    »Mistkerl … Mistkerl«, stammelte Zolfo vor sich hin, während er in blinder Wut immer wieder auf Shimon einstach.
    »Hör auf …«, rief Mercurio und streckte die Hand nach ihm aus. »Hör auf … Zolfo … es reicht …«
    Zolfo wich einen Schritt zurück. Das Mondlicht brachte das rote Blut auf seinen Händen zum Glänzen. Er ließ das Messer fallen und brach dann in Tränen aus. Das hatte er seit Ercoles Tod nicht mehr getan, und nun weinte er wie der kleine Junge, der er eigentlich war.
    »Zolfo …«, sagte Mercurio leise. Ihm fehlten die Worte. Dann näherte er sich mühsam Shimon, der ungläubig zu ihm aufsah, während ihm das Blut aus dem Mund lief. »Vergib mir …«, bat Mercurio ihn. »Vergib mir …«
    Shimon starrte ihn an. Er hatte keine Angst vor dem Tod. War es wirklich so einfach?, fragte er sich und empfand mit einem Mal einen tiefen inneren Frieden, eine tröstliche Stille, die ihn sanft umfasste. Er versuchte, in dem Nebel vor seinen Augen Mercurios Züge zu erkennen, doch dann wurde ihm klar, dass dieser Junge, dessen Verfolgung bis jetzt sein Lebenszweck gewesen war, ihm nichts mehr bedeutete. Endlich hatte seine Seele die ersehnte Ruhe gefunden. Bei diesem Gedanken lächelte er – und starb.
    Nun war nichts mehr zu hören bis auf Zolfos unterdrücktes Weinen.
    »Du … hast … mich gerettet«, brachte Mercurio mühsam hervor.
    Zolfo sah ihn verständnislos an. »Ich?«, fragte er.
    Mercurio presste eine Hand auf die Wunde an seiner Seite. Er zitterte am ganzen Körper. Dann deutete er auf Shimons Leichnam. »Wir müssen ihn verschwinden lassen«, sagte er.
    Zolfo nickte abwesend, während er immer noch auf seine bluttriefenden Hände starrte.
    »Was ist hier los?«, fragte Zuan, der auf der Schwelle seiner Hütte aufgetaucht war.
    »Nichts«, erwiderte Mercurio.
    »Ist Mosè bei dir? Geht es ihm gut?«, fragte der alte Mann besorgt. »Ich habe geträumt, dass …«
    Im gleichen Augenblick sah Mercurio, dass der Hund sich mühevoll erhoben hatte.
    »Ich habe geträumt, ich hätte ihn winseln hören …«
    »Es geht ihm gut«, versicherte Mercurio ihm. »Der hat sich bloß … mit einer Katze angelegt …«
    »Dieser blöde Köter«, brummte Zuan. Und ehe er sich umwandte, um wieder in die Hütte zu gehen, sagte er noch einmal: »Komm jetzt schlafen, Junge. Morgen wird ein anstrengender

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