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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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meinst du damit, sie könnte es schaffen, ihre Haut zu retten? Halten die Leute sie für schuldig oder unschuldig?«
    »Manchmal wundere ich mich schon, wie einfältig du bist, Junge«, stöhnte Zuan. »Die Leute interessiert doch nicht, ob diese Jüdin schuldig oder unschuldig ist. Genauso wenig wie sie wissen wollen, ob etwas stimmt oder gelogen ist. Jeder weiß doch, dass dieser Prozess eine Posse ist …«
    »Und das heißt …?«
    »Die einfachen Leute haben schon lange begriffen, dass Gerechtigkeit ein Scheißdreck ist, der für die Leichtgläubigen erfunden wurde.«
    »Das stimmt. Aber was bedeutet das jetzt?«, fragte Mercurio nach.
    »Dass sie Wetten darauf abschließen, ob diese Jüdin es schafft oder nicht.«
    »Sie wetten also …«, stieß Mercurio ein wenig bitter hervor.
    »Natürlich«, erklärte Zuan. »Und das ist sehr vernünftig.«
    »Vernünftig?«, fragte Mercurio sarkastisch.
    »Ja, vernünftig. Wenn du ein armer Teufel bist, hängt dein Leben von einem guten Würfelwurf ab … Und da ist es doch sehr vernünftig, das Ganze nicht so ernst zu nehmen.« Er wandte sich Mercurio zu, sah dessen niedergeschlagenen Blick und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Den Leuten gefällt Pater Venceslao viel besser als dieser Heilige. Und das ist das Entscheidende.«
    Mercurio holte tief Luft.
    Zuan lächelte beruhigend. »Du wirst es schaffen, vertrau mir.«
    »Ja …«, sagte Mercurio sehr leise.
    »Weißt du schon, was du morgen sagen wirst?«, fragte Zuan ihn.
    »Mehr oder weniger …«
    »Lass dein Herz sprechen, Junge. Wende dich an die einfachen Leute. Hier geht es nicht um Gerechtigkeit. Begeistere sie, zieh sie auf deine Seite. So läuft das. Und wenn ganz viele auf deiner Seite stehen, wird es für die Mächtigen schwer, sich darüber hinwegzusetzen.«
    »Ja …«
    »Von wegen ja. Du hast überhaupt nicht zugehört, stimmt’s?«
    »Nein«, sagte Mercurio mit einem betrübten Lächeln. »Verzeih.«
    »Na, dann soll dich doch der Teufel holen, Junge«, brummte Zuan. »Ich geh jetzt schlafen.«
    »Jetzt sei nicht gleich beleidigt …«
    »Komm mit, Mosè«, befahl der alte Seemann und ging auf seine Hütte zu. »Und du leg dich auch hin, Junge. Morgen wird ein anstrengender Tag.«
    »Ich bin nicht müde.«
    »Na, dann noch einmal, hol dich der Teufel!«, sagte Zuan lachend. Und Mercurio stimmte mit ein.
    Dann ging er Richtung Werft und setzte sich dort ans Ufer, ließ die Beine baumeln und betrachtete sein Schiff. »Shira«, flüsterte er. »Der Name gefällt mir.« Bewundernd betrachtete er ihren glänzenden Kiel und versuchte zu lächeln. Doch er spürte, wie der Gedanke an den morgigen Tag schwer auf ihm lastete. Er hatte Angst, dass es ihm nicht gelingen würde, Giuditta zu retten. Alles hing jetzt von ihm ab. Er legte sich eine Hand auf die Brust und atmete tief ein.
    Gedankenversunken ließ er den Blick ein wenig nach links zur Lagune wandern, wo sich im Mondlicht die Umrisse der Insel San Michele klar abzeichneten. »Ja verdammt, ich habe immer noch nicht gelernt, wie man betet, Heiliger Erzengel Michael …«, sagte er. Wütend schlug er sich auf einen Schenkel und schaute in den Himmel. »Entschuldige, ich wollte nicht fluchen …« Sein Blick ging wieder zu der Insel. »Hilf mir«, sagte er dann leise.
    Er vernahm ein Geräusch hinter sich, drehte sich aber nicht um. »Du kannst wohl auch nicht schlafen, was, verdammter Alter?«, fragte er.
    Doch er erhielt keine Antwort.
    Daraufhin wandte er sich doch um und starrte suchend durch die Dunkelheit, die vom Mond und den allmählich verlöschenden Feuern erhellt wurde. Doch er konnte niemanden entdecken. Seufzend wandte er sich wieder dem Schiff zu.
    Da hörte er erneut ein Geräusch hinter sich.
    Mercurio sprang auf und drehte sich um, doch die Werft lag verlassen da. Dennoch war er nun leicht beunruhigt und sah sich aufmerksam um. Nichts. Dann sah er zu Zuans Hütte hinüber. Der alte Mann hatte recht, er sollte ebenfalls schlafen gehen.
    Mit gesenktem Kopf schlurfte er die Rampe hoch.
    Da sah er plötzlich am Ende der Rampe ein Paar schwarze Stiefel vor sich, die ihm den Weg versperrten.
    Erschrocken wich er mit einem hastigen Satz zurück. Doch er war nicht schnell genug.
    Im Mondlicht blitzte eine Klinge auf und näherte sich blitzschnell wie die Krallen einer Katze.
    Mercurio spürte, wie ihn etwas hart in die linke Seite traf wie ein Faustschlag. Dann ein heißes Brennen, als hätte jemand dort ein Feuer entfacht. Der Schmerz

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