Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
Isacco aus und zog einen gelben Hut heraus. Mit dem Hut in der Hand sprang er auf und spuckte aus, was er im Mund hatte. »Du bist Jüdin«, knurrte er feindselig und ging, den Hut drohend vor sich haltend, auf sie zu. »Du bist Jüdin!« Jetzt schrie er fast und schleuderte den gelben Hut auf sie.
Giuditta wich verängstigt zurück.
»Was hast du denn, Zolfo?«, fragte Benedetta überrascht.
»Ihr seid Abschaum!«, beschimpfte Zolfo Giuditta. »Widerliches Judenpack!«
»Beruhige dich, Zolfo!« Benedetta stellte sich zwischen ihn und Giuditta und sah ihm in die Augen. Sie funkelten fanatisch, voller Hass. »Was ist mit dir los, Zolfo?«
»Die haben Ercole umgebracht, das ist los!«, schrie Zolfo und stieß sie beiseite, in dem Bestreben, so nah wie möglich an Giuditta heranzukommen.
Benedetta stellte sich wieder zwischen sie. »Sie hat nichts getan«, sagte sie nun beinahe schreiend, damit er wieder zur Besinnung kam.
»Das sind alles Mörder! Verdammte Juden!«, brüllte Zolfo.
Plötzlich öffnete sich die Tür des Wagens.
»Was geht hier vor?«, fragte Hauptmann Lanzafame.
Zolfo drehte sich ruckartig um. »Das ist eine Jüdin!«
»Beruhige dich, Junge!«, sagte der Hauptmann und packte ihn kräftig an den Schultern. »Ruhig!«
Zolfo sah durch ihn hindurch. »Das ist eine Jüdin!«, wiederholte er. »Ich bleibe nicht in einem Wagen mit diesem widerlichen Judenpack!«
Hauptmann Lanzafame sah Benedetta an. Dann zerrte er Zolfo gewaltsam aus dem Wagen und versetzte ihm draußen einen kräftigen Stoß. »Dann schläfst du eben im Freien«, herrschte er ihn an. »Ich will hier keine Schwierigkeiten. Und wenn wir aufbrechen, folgst du uns zu Fuß.«
In diesem Moment kamen Mercurio und Isacco dazu, die zu ihrem Wagen wollten. Der junge Priester lief zum Hauptmann. »Was ist geschehen?«, fragte er ihn atemlos und drehte sich zu Benedetta um, die auf der Treppe des Proviantwagens stand und ihn merkwürdig ansah.
Isacco hatte sich ebenfalls genähert und stand hinter ihm.
Zolfo deutete mit dem Finger auf ihn. »Das ist ein verdammter Jude, Mercurio!« Und nachdem er wütend ausgespuckt hatte, fügte er mit vor Erregung zitternder Stimme hinzu: »Die haben Ercole umgebracht!« Dann konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten und brach in krampfhaftes Schluchzen aus.
Benedetta lief zu ihm und drückte ihn fest an ihre Brust. Mercurio wusste nicht, was er tun sollte. Er sah von Isacco zu Giuditta und zum Hauptmann. Schließlich breitete er entschuldigend die Arme aus. »Er war sein Freund …«, sagte er leise, obwohl er wusste, dass der Hauptmann und seine Leute mit dieser Aussage nichts anfangen konnten. Seit sie die Armengräber verlassen hatten, hatte Zolfo nicht ein einziges Mal geweint. Er war schweigend auf Scavamortos Wagen gestiegen, und in der Nachtkälte waren die Tränen auf seinen Wangen erstarrt. Vielleicht auch die in seinem Herzen. Und er hatte seitdem auch kein einziges Wort über Ercole verloren. »Das geht vorbei«, versicherte Mercurio dem stattlichen Hauptmann.
Lanzafame schüttelte den Kopf und richtete einen Finger drohend auf Zolfo. »Ich will keinen Aufruhr hier im Lager, Bürschchen, hast du verstanden? Sonst jage ich dich höchstpersönlich mit einem Tritt in den Arsch davon.« Und damit entfernte er sich.
Benedetta zog Zolfo beiseite. Der Junge konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen. Mercurio machte einen Schritt auf sie zu, doch Benedetta gab ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, er solle nicht näher kommen.
Mercurio wandte sich daraufhin an Isacco. »Es tut mir leid.« Er sah Giuditta an, die ihn stolz, geradezu herausfordernd anblickte, die dichten schwarzen Augenbrauen leicht hochgezogen.
Isacco stieg die Stufen hinauf und umarmte sie.
Obwohl Mercurio fror und müde war, entfernte er sich und streifte allein durch das Feldlager. Schließlich holte er sich eine Wurst und eine Scheibe Schwarzbrot und setzte sich auf ein leeres Fässchen, das jemand neben die Straße aufs Feld geworfen hatte. Als er Schritte hinter sich hörte, wandte er sich nicht um.
»Trinkst du, du halb garer Priester?«, fragte ihn Hauptmann Lanzafame. Er hielt zwei Metallkelche mit Wein in den Händen.
»Ja«, erwiderte Mercurio und nahm einen der Kelche entgegen.
»Alle Priester trinken«, sagte der Hauptmann lachend und starrte vor sich ins Unterholz, das langsam zu einem dunklen Fleck mit ausgefransten Konturen verschwamm.
»Also, nun ja …«
»Das Blut Christi.« Wieder lachte der
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