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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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In der Mitte erhob sich ein Turm, größer und höher als die anderen, der sogenannte Mastio. Hier, vor dem Sitz der Verwaltung, hatten sich die höchsten Würdenträger von Mestre in Festtagskleidung versammelt, um dem Einzug der Vorhut der heldenhaften Truppen beizuwohnen.
    Giuditta stand links neben Mercurio und war wie gebannt von der feierlichen Atmosphäre. In ihrer Aufregung vergaß sie, dass es nicht ihr Vater war, der neben ihr stand, griff nach Mercurios verletzter Hand und drückte sie. Vor Überraschung und Schmerz erstarrte Mercurio zunächst, doch dann erwiderte er ihren Händedruck voller Zärtlichkeit. Verblüfft wandte sich Giuditta zu ihm um, und Mercurio starrte sie mit hochrotem Kopf an. Sein Herz raste, ein starkes Gefühl durchströmte ihn und brachte ihn völlig durcheinander. Jetzt, durch diese Berührung, verstand er, warum alle sagten, dass Frauen gefährlich waren.
    Giuditta versuchte, ihre Hand zu befreien, doch Mercurio hielt sie fest. Und Giuditta ließ es zu, ohne dass Mercurio sich anstrengen musste.
    Sie sahen sich einen langen Moment in die Augen, und um sie herum schien auf einmal alles ganz still.
    Doch dann drehte sich Isacco zu seiner Tochter um und rief: »Das ist noch gar nichts, warte erst, bis du Venedig siehst!«
    Unverzüglich glitten Giudittas und Mercurios Finger auseinander.
    Verlegen wandte sich Mercurio ab und kehrte beiden den Rücken zu. Er begegnete dem Blick Benedettas, die ihn stirnrunzelnd beobachtete. Auch ihr Gesicht war gerötet, aber eher vor Wut, vermutete Mercurio. Verwirrt wich er ihrem Blick aus und wusste nun nicht mehr, wohin er schauen sollte.
    Giuditta lächelte ihren Vater weiter freudestrahlend mit feuerroten Wangen an.
    »Warum grinst du so blöd?«, fragte Isacco misstrauisch.
    »Mir ist heiß!«, behauptete Giuditta und fächelte sich Luft zu.
    Isacco bemerkte, dass sie Blut an den Fingern hatte. Er nahm ihre Hand, um nachzusehen, doch sie war nicht verwundet. Dann schaute er zu Mercurio hinüber, der ihm beharrlich den Rücken zukehrte. »Wisch dir die Finger ab«, sagte er streng zu Giuditta und schob sich zwischen sie und Mercurio.
    In dem Moment öffnete sich die Tür des Karrens.
    »Kommt und feiert mit uns, Doktor«, sagte Donnola.
    Für einen Augenblick löste sich die Spannung unter den Jubelrufen der Menschen und in der allgemeinen Feststimmung auf. Beim Hinausgehen streifte Mercurio Giuditta wieder, und beide erröteten erneut. Isacco packte seine Tochter und zog sie weg. Während Giuditta sich entfernte, schaute sie noch einmal schnell zu Mercurio hinüber, der ihr kaum merklich zulächelte, obwohl er von seinen eigenen Gefühlen völlig verwirrt war.
    »Lass uns zusammenbleiben«, sagte Benedetta barsch zu ihm und lief zu Zolfo, dessen Hände an ein Pferd gefesselt waren. Mercurio folgte ihr, doch er mied ihren Blick.
    Hauptmann Lanzafame war von der Menge umringt und konnte sein Pferd kaum zügeln. Er deutete auf Isacco: »Hol deinen gelben Hut hervor. Hier hält man sich an das Gesetz.«
    Die Würdenträger setzten sich nun in Bewegung und führten die tapferen Heimkehrer zur Fossa Gradeniga, wo drei große, für die Lagune typische Transportboote, die sogenannten Peate, schon auf sie warteten, um sie zum Markusplatz und damit mitten in die Feierlichkeiten überzusetzen.
    »Kommt mit uns an Bord«, forderte Lanzafame Isacco auf und winkte auch Mercurio herbei. »In Kriegszeiten dürfen Fremde eigentlich nicht per Schiff nach Venedig, aber Ihr habt Euch die Überfahrt verdient.«
    Auf dem Damm war ein breiter Steg aus Buchenbrettern errichtet worden, damit die Kriegshelden erhöht und somit besser zu sehen waren, zum anderen erleichterte der Steg das Einladen der Karren und Verwundeten. Hier und da riss der grau verschleierte Himmel auf, und die Sonne ließ die Wasserstraße aufleuchten.
    Als Isacco und Giuditta den Steg betraten und nach ihnen Mercurio, Benedetta und der immer noch gefesselte Zolfo, vernahm man auf einmal einen Schrei.
    »Satan! Ich habe dich wiedergefunden!«
    »Dreh dich nicht um!«, befahl Isacco seiner Tochter, denn er hatte die Stimme wiedererkannt.
    Die Menschenmenge und die Soldaten wandten sich jedoch sofort in diese Richtung.
    Der Predigermönch, dem Isacco und Giuditta in dem Gasthaus begegnet waren und der sie am nächsten Tag mit den Leuten aus dem Ort verfolgt hatte, eilte mit Riesenschritten herbei. Er schwang ein Kreuz in der Hand und bahnte sich damit gewaltsam seinen Weg durch die Menge. Das fettige

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