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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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trübe, und es roch nach Schlamm. Starke Arme und Hände zogen ihn aufs Trockene. Mercurio stieß die höhnisch grinsenden Menschen zurück und drehte sich zum Boot um. Giuditta starrte zu ihm hinüber. »Ich werde dich finden«, rief er noch einmal laut und deutlich, bevor er zu Benedetta hinüberlief. Als er sie erreichte, stand sie zusammen mit Zolfo vor dem Prediger.
    »Was willst du?«, fragte der Mönch gerade Zolfo und schien ihn mit seinen fanatisch glühenden Augen zu durchbohren.
    »Ich hasse die Juden!«, antwortete Zolfo, als würde er ein Losungswort aussprechen.
    Der Mönch musterte den Jungen, den einzigen Menschen, der ihm in dieser Menschenmenge Gehör geschenkt hatte. Er deutete mit dem Zeigefinger auf die nunmehr weit entfernten Boote in der Mitte des Kanals und fragte ernst: »Hasst du sie so sehr?«
    »Ja!«, antwortete Zolfo mit einer Inbrunst, die auch Mercurio und Benedetta neben ihm zu gelten schien. Doch diese schwiegen überrumpelt und unangenehm berührt.
    Triefend nass starrte Mercurio weiter auf die Fossa Gradeniga, wo die Boote allmählich verschwanden. Giuditta war inzwischen nur noch ein kleiner Punkt.
    »So folgt mir, Soldaten Christi!«, rief der Mönch. Er hob die Arme gen Himmel, drehte sich abrupt um und bahnte sich seinen Weg durch die Menge.

14
    A ls Mercurio in den Kanal gesprungen war, hatte Giuditta sich kaum bezähmen können, am liebsten hätte sie ihn festgehalten oder sich zusammen mit ihm in die Fluten gestürzt. Sie wollte dieses wunderschöne Gefühl von seiner Hand in ihrer nicht mehr missen. Sie wollte nicht mehr auf ihn verzichten. Schon in den vorangegangenen Nächten hatten die Augen dieses ungewöhnlichen Jungen sie in ihren Bann gezogen. So hatte keiner der Jungen auf der Insel Negroponte sie je angesehen. Und keiner von ihnen hatte sie je vor einer Messerattacke beschützt. Keiner von ihnen hatte sein Blut mit ihrem vereint. Plötzlich stockte ihr der Atem. Sie erschrak. Was war denn bloß in sie gefahren, fragte sie sich. Wer war dieser Junge? Dass er kein Priester war, hatte er ihr gestanden. Aber wer war er dann? Und warum trug er einen Talar? Was hatte er zu ihr gesagt, als er vom Boot gesprungen war? Sie konnte sich kaum noch daran erinnern. Ihr Kopf schien zwischen den Wolken zu schweben. »Ich werde dich finden«, ja, das hatte er zu ihr gesagt. Giuditta klammerte sich an ihren Vater.
    »Sieh nur«, sagte Isacco zu ihr, während er seinen Arm um ihre Schultern legte und sie so aus dem Labyrinth der Gefühle holte, in dem sie sich zu verlieren drohte. Er zeigte nach vorn: »Sieh nur«, wiederholte er.
    Und dann sah Giuditta geisterhaft und noch ganz verschwommen die Stadt aus den Nebelschleiern auftauchen.
    »Venedig«, sagte Isacco und ließ den Namen auf seiner Zunge zergehen, als wäre es ein heiliges Wort.
    Die Seeleute ruderten sie inzwischen durch die Flut. Die schweren Boote glitten still dahin und durchpflügten das brackige Wasser.
    »Doktor Negroponte«, sprach Donnola Isacco von hinten äußerst förmlich an. »Ich möchte mich von Euch verabschieden und wünsche Euch alles Gute.«
    »Danke, Donnola. Du warst ein großartiger Gehilfe«, erwiderte Isacco gleichermaßen förmlich.
    Donnola wackelte mit seinem spitzen Kopf auf und ab, als würde er nicken. Plötzlich ließ er alle Förmlichkeit beiseite, trat einen Schritt an Isacco heran und raunte ihm zu: »Wenn Ihr mal wieder einen Gehilfen braucht, findet Ihr mich hinter Rialto beim Fischmarkt. Ich könnte Euch Kunden besorgen.«
    Isacco fehlten vor Überraschung die Worte. Er war verlegen. Bis dahin hatte er noch keine Pläne für die Zukunft gemacht. »Das erscheint mir eine gute Abmachung«, sagte er vage. »Dann werde ich zu dir kommen. Nach Rialto.«
    »Nicht nach Rialto«, stellte Donnola richtig. »Auf den Fischmarkt hinter Rialto.«
    »Genau«, sagte Isacco. »Hinter Rialto. Ich werde es mir merken.«
    »Und wenn Ihr die Instrumente kaufen wollt, die Ihr in diesen Tagen benutzt habt«, fuhr Donnola immer noch leise fort, »könnte ich sie Euch zu einem guten Preis verkaufen.«
    »Nein danke, Donnola.« Instinktiv lehnte Isacco das Angebot ab. Er fürchtete, in einer Stadt wie Venedig würde jeder gleich erkennen, dass er kein richtiger Arzt war. Dann spürte er, wie Giuditta ihn seitlich mit der Hand berührte, und sah zu ihr hinüber.
    »Warum nicht … Herr Doktor?« Die pechschwarzen wachen Augen seiner Tochter schienen ihm befehlen zu wollen, auf Donnolas Angebot

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