Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
geheimnisvollen Augen gefangen.
Das Mädchen sah ihm tief in die Augen, neigte den Kopf leicht zur Seite und führte dann langsam das Glas an seine Lippen.
»Trink!«
Und Shimon trank. Der Wein lief ihm lauwarm die Kehle herunter, er schmeckte ein wenig bitter. Er spürte den warmen Atem des Mädchens auf seinen Lippen.
»Möchtest du mich lieben?«, fragte sie dann.
Shimons Herz schlug schneller.
Das Mädchen zog sich das feine Unterhemd aus, und der Ausschnitt ihres Kleides enthüllte ihren Busen nun nahezu vollständig. Lächelnd stand das Mädchen auf und zog ihm die Stiefel aus. Dann bot sie ihm noch einen Schluck Wein an.
Shimon trank. Und spürte wieder diesen leicht bitteren Nachgeschmack in der Kehle.
»Wie heißt du?«, fragte ihn das Mädchen.
Shimon bedeutete ihm, dass er stumm war.
»Bist du Kaufmann?«
Shimon nickte. Sein Kopf fühlte sich schwer an. Anscheinend machten sich die Anstrengungen der vergangenen Tage bemerkbar.
»Bist du reich?«
Shimon bemerkte, wie sein Kopf noch schwerer wurde. Jetzt wusste er, dass er töricht gewesen war.
Das Mädchen beobachtete ihn schweigend.
In Shimons Kopf wirbelten tausend Gedanken durcheinander.
Das Mädchen durchsuchte ihn. Sofort hatte sie die Geheimtasche in Scavamortos Stiefeln gefunden und nahm die Goldmünzen heraus. Sie biss auf eine und betrachtete sie dann zufrieden. »Drei Goldmünzen«, sagte sie zufrieden.
Shimon konnte sich nicht bewegen. Seine Lider begannen zu flattern. In seinem Kopf drehte sich alles. Um ihn herum schwankte der Raum, wurde mal größer, mal kleiner, leuchtete in prächtigen Farben, wirkte dann wieder düster und gedeckt, mal war es still, dann wieder laut. Shimon spürte einen Druck auf der Brust, der ihm kaum Raum zum Atmen ließ. Und eine Müdigkeit, gegen die er nichts ausrichten konnte. Du wirst nicht mit mir schlafen, stimmt’s?, konnte er gerade noch denken.
Das Mädchen legte den Kopf auf seine Brust und streichelte die nackte Haut unter seinem Hemd. Dann nahm sie seine Hand und küsste sie ganz langsam, erst die Finger, dann den Handrücken und die Innenfläche. Sie führte seine Hand an ihren warmen, weichen Busen und schob sie so weit vor, bis seine Fingerkuppe eine Brustwarze berührte. »Es tut mir leid«, flüsterte sie ihm mit rauer Stimme zu.
Kurz bevor er das Bewusstsein verlor, sah Shimon Blut. Überall war Blut. Er sah es aus der Brust des Schwachsinnigen spritzen, den er getötet hatte, auf dem Boden der Sakristei, wo er den Pfarrer und dessen Haushälterin ermordet hatte, er spürte Blut im Mund, sein eigenes Blut, das gurgelnd bei jedem Atemzug hervorspritzte.
Wie damals, als er glaubte, er würde sterben.
Doch diesmal spürte Shimon keine Angst.
Du Dummkopf, dachte er nur.
Und dann wurde alles um ihn herum dunkel.
Am nächsten Morgen wachte er kurz vor Tagesanbruch auf, mit steifen Gliedern, schwerem Kopf und getrübtem Blick. Seine Stiefel und sein Mantel waren verschwunden. Er war mit den Knöcheln an den Balken im Heuschober gekettet. Neben ihm saßen die anderen fünf Gefangenen. Shimon erbrach sich.
»Na, du scheinst es ja toll getrieben zu haben letzte Nacht«, lachte einer von ihnen, und die anderen stimmten ein, wie auch die Wachen.
»Alessandro … Rubirosa«, las der Hauptmann der Wachen stockend seinen Taufschein vor. »Du bist angeklagt, eine Jungfrau vergewaltigt und zu töten versucht zu haben. Deswegen wirst du ins Gefängnis nach Tolentino überführt und dort vor ein Kirchengericht gestellt werden.« Er sah ihn an. »Hast du nichts zu deiner Verteidigung zu sagen, Stummer?«, fragte er und lachte laut los. Dann wandte er sich an seine Männer.
»Ladet ihn auf den Wagen. Wir fahren jetzt.«
»Los, steht auf«, sagten die Wachen zu den Gefangenen, und während einer mit gezücktem Schwert dastand, öffnete ein zweiter die Ketten, die sie an den Balken gefesselt hatten. Sie mussten sich in einer Reihe aufstellen und wurden zum Gefängniswagen getrieben.
Kaum war er draußen angekommen, sah Shimon ein wenig abseits das Mädchen stehen, das seine Augen suchte. Ihre Blicke begegneten sich. Das Mädchen trat einige Schritte vor und stellte sich neben ihn.
»Versprich mir, dass du mich nicht vergessen wirst«, flüsterte sie ihm zu.
Shimon warf ihr einen eiskalten Blick zu. Ihm ging durch den Kopf, dass das Mädchen bei Tageslicht deutlich verlebter aussah. Sie hatte dunkle Ringe um die Augen, ihre fahle Gesichtshaut wies an einigen Stellen bereits kleine Fältchen
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