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Das Mädchen, das nicht weinen durfte

Titel: Das Mädchen, das nicht weinen durfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khadra Sufi
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Kindergartenbastelgruppe entstanden waren, und wenn uns ein Türsteher ungläubig ansah, behaupteten wir einfach, dass die Ausweise in Deutschland alle so aussehen würden, und manche Türsteher glaubten uns. Vor einer Discothek stand ein weißer Cadillac mit geöffneten Fenstern, und als wir daran vorbeiliefen, kam uns so eine große Haschischwolke entgegen, dass man beim Einatmen schon breit wurde. Diese Leute waren echt crazy.
    Solange ich diesen grauen Pass besaß, blieben mir solche Situationen wie am Flughafen in Richtung USA nicht erspart. Jedes Mal, wenn ich meine Familie in England besuchen wollte, wurde ich wieder aufs Neue gesondert behandelt, obwohl ich ein gültiges Visum besaß, das ich zuvor beantragt hatte. Es war ein komisches Gefühl zu sehen, wie man auf einmal an einer Grenzkontrolle nur auf ein graues Reisedokument reduziert wurde. Der Mensch, der sich hinter den Papieren verbirgt, wird in solchen Situationen auf einmal völlig wertlos.

Eine eigenartige Begegnung
    Eines Tages lief mir Susi über den Weg, das Mädchen, das im Flüchtlingsheim in Bad Godesberg mit Fasim zusammen gewesen war, der im Stockwerk unter uns gewohnt hatte. Susi war damals wirklich ein heißer Feger gewesen, obwohl sie auch gerülpst und auf den Boden gespuckt hatte. Seit Fasim mit ihr Schluss gemacht hatte, weil er erfahren hatte, dass sie ihn mit dem Ticketverkäufer einer Rheinfähre betrog, hatte ich sie nicht mehr gesehen und nun hätte ich sie fast nicht wiedererkannt. An diesem Abend war ich mit Tina unterwegs und ich musste genau hinsehen, wer da in schwarzen, ultrahohen Plateaustiefeletten vor mir her stöckelte. Dazu trug sie Leggins im Tigerlook und ein tief ausgeschnittenes Oberteil mit Leopardenmuster. Sie war behangen mit Goldketten und zwischen ihren Fingern glühte eine extralange Zigarette.
    »Susi?!«, fragte ich. »Heeeeey, Süße!« Sie streckte die Hand mit der Zigarette hoch und hauchte links und rechts von mir ein Küsschen in die Luft. »Das ist meine Kollegin Natascha!« Ihre Begleitung sah nicht weniger auffällig aus, denn sie trug einen pinkfarbenen Minirock, der gerade so ihren Po bedeckte, und weiße Stiefel mit Pfennigabsätzen, die ihr bis über die Knie reichten. Tina und ich tauschten kurz Blicke aus und wussten, was die andere gerade dachte. Wir waren beide gespannt, was diese beiden Tussis, die von Männern wie Frauen um uns herum angestarrt wurden, zu erzählen hatten, und setzten uns mit ihnen an einen Tisch.
    »Und? Was machst du so?«, fragte ich vorsichtig. »Ich bin jetzt selbstständig!«
    »Aha, als was denn?«, fragte ich. »Ich arbeite als Hure!« Tina und ich hatten es uns schon gedacht, aber so viel Offenheit musste ich erst einmal verdauen, und mir fiel spontan keine bessere Frage ein als: »Und? Wie ist das so?«

    »Anfangs hab ich gedacht, das ist voll ekelhaft, für die alten Knacker die Beine breit zu machen, aber so schlimm ist das gar nicht, manche Typen sehen sogar richtig geil aus! Und die Kohle erst!«
    Während Susi so erzählte, beobachtete ich sie und fragte mich, was bei ihr wohl passiert sein musste, dass sie sich so verändert hatte. Vor mir stand ein völlig fremder Mensch und es war erschreckend, dass das innerhalb nur weniger Jahre so gekommen war. Wir glaubten ihr kein Wort und später erfuhr ich, dass sie einen Zuhälter hatte, bei dem sie das ganze Geld abliefern musste.

Alles bereit für einen neuen Start
    Papa kam ein letztes Mal aus England zurück, wo er alles geregelt hatte, sodass er jetzt in Deutschland endgültig die Zelte abbrechen konnte. Die Wohnung hatte er ja schon vor einigen Monaten gekündigt, und er wollte nun noch mal nach mir sehen, bevor ich schließlich völlig auf mich allein gestellt war. Nach wie vor hielt ich mich mit meinen Jobs über Wasser, bei denen ich gerade so viel verdiente, wie ich brauchte, hing jeden Tag mit Tina ab und war eigentlich zufrieden mit meinem Leben. Mein Vater hatte sich schon damit abgefunden, dass ich in Deutschland bleiben würde, aber so ganz überzeugt war er natürlich immer noch nicht. Ich weiß bis heute nicht, woher ich damals diese Zuversicht nahm, dass alles schon irgendwie gut ausgehen würde, denn ich hatte noch nicht mal ein festes Gehalt und auch keine Wohnung, aber ich muss überzeugend gewesen sein, denn Papa akzeptierte meine Entscheidung.
    Es ging ihm zu der Zeit nicht gut und er ließ sich hier im Krankenhaus untersuchen, aber es konnte nichts festgestellt werden. Am Abend nach

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