Das Mädchen, das nicht weinen durfte
Bullshit!«, wehrte er ab.
»Du verdammtes Arschloch!«, schrie ich und hämmerte mit meinen Händen auf ihn ein. »Du bist so ekelhaft! Kaum hast du ein bisschen Geld in der Tasche, machst du den Macker im Puff!« Er drehte sich um und ging weg, aber ich lief ihm nach und hörte nicht auf, ihn wüst zu beschimpfen. Plötzlich drehte er sich um, zeigte mit dem Finger ganz nah auf mich und ruhig, aber mit der
vollen Härte seiner tiefen Stimme reagierte er. »Was dieser Typ damals mit dir gemacht hat, geschieht dir recht.«
Diese Worte trafen mich zutiefst. Ich war wehrlos, fühlte mich gedemütigt und bloßgestellt, mir blieb die Luft weg. Das konnte, das durfte er nicht gesagt haben.
»Sag, dass das nicht wahr ist«, stammelte ich. »Bitte, sag, dass du das nicht so gemeint hast, bitte sag es mir.« Ich hatte mich noch nie so wertlos gefühlt, aber er ging nur, und ich sollte ihn nie wiedersehen.
Hallo Amerika!
Einige Wochen später musste die Disco schließen, aber ich war nicht traurig darüber und fand schnell einen neuen Job, bei dem ich zwar nicht mehr so viel verdiente, aber dafür machte es mir sehr viel Spaß. Es war eine kleine Bar in Bonn, das Café Duck. Hier legten sie Musik aus verschiedenen afrikanischen Ländern auf, und obwohl ich die Texte nicht verstand, machte sie mir einfach gute Laune. Ich lernte, die besten Caipirinhas zu machen, und es war ein Erlebnis zu beobachten, was sich vor der Theke alles abspielte. Natürlich kamen viele Afrikaner hierher, aber auch deutsche Frauen. Sie waren scharf auf schwarze Männer, während diese meist mehr an einem deutschen Pass interessiert waren, den so eine Beziehung mit sich bringen konnte. Dieses Spielchen war eigentlich offensichtlich und leicht zu durchschauen, nur die Frauen schienen es nie zu merken.
Aber im Café Duck waren ohnehin die verrücktesten Leute, Leute wie Bob. Er war etwa 50, kam jeden Freitag, war Diplomat in der Botschaft eines afrikanischen Landes, sprach aber gar kein Deutsch, nur Englisch.
»Let’s have another drink!«, war sein Lieblingssatz und Bob war nicht nur deshalb ein gern gesehener Gast. Er rauchte dicke
Zigarren, spendierte den Frauen einen Cocktail nach dem anderen, und sie versammelten sich nach und nach an seinem Tisch. Bob genoss es, rechts und links eine Frau im Arm zu halten und seinen goldenen Stiftzahn blitzen zu lassen, während er die anderen anlachte, und Bob lachte immer. Sobald ein Glas leer wurde, winkte er mich mit Nachschub zu sich. Anfangs mochte ich ihn überhaupt nicht, weil er auf mich überheblich und selbstgefällig wirkte und beim Bezahlen seiner hohen Rechnungen nie einen Pfennig Trinkgeld gab. Deshalb wechselten wir nie viele Worte, ich wusste, was er trank, und servierte es ihm, sobald er kam, das war’s.
Irgendwann bat er mich aber um einen Gefallen. Ich sollte einer Dame eine Nachricht von ihm hinterlassen und er versuchte mir in sehr schlechtem Deutsch zu erklären, was er von mir wollte.
»Reden Sie doch Englisch«, forderte ich ihn auf, genervt von seinem Gestammel.
»Ach, Sie sprechen auch Englisch, das wusste ich nicht«, war er plötzlich ganz kleinlaut.
»Das kommt davon, wenn man nie ein Wort mit der Kellnerin wechselt!«, antwortete ich ihm frech in perfektem Englisch. Bob war über meine Antwort so überrascht, dass er für einen Augenblick gar nicht wusste, was er sagen sollte. Dann aber lachte er laut auf und hörte gar nicht mehr auf.
»Oh, my dear, I’m so sorry!«, brachte er gerade noch raus. »You are very funny.« Ich amüsierte ihn also, na, dann konnte er ja noch eine Wahrheit vertragen.
»Ach, und noch was, wie kommt es eigentlich, dass Sie immer so spendabel sind, aber nie Trinkgeld geben?!« Ich zog meine Augenbrauen hoch und verschränkte die Arme.
»Oh, dear!« Er fasste sich an den Mund, als ob ihm etwas Wichtiges eingefallen wäre. »I’m so sorry! I never thought about that!« Wie bitte? Aber an seinem Gesichtsausdruck merkte ich, dass es doch keine Ausrede war, er hatte tatsächlich nie zuvor
daran gedacht, ein bisschen Trinkgeld dazulassen. Das sollte sich ab jetzt ändern. Am nächsten Freitag wurde ich zunächst mit einem lauten »Hello, my dear!« begrüßt, als Bob reinkam, und bei jedem Spruch, den ich ihm charmant verpasste, verfiel er in lautes Gelächter.
»Du immer mit deinen Frauen, dein Harem hält mich mehr auf als der ganze übrige Laden«, flachste ich, als ich seine gackernden Hühner bedient hatte. »Let’s have a drink!«, schrie
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