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Das Mädchen, das nicht weinen durfte

Titel: Das Mädchen, das nicht weinen durfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khadra Sufi
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mit seinen zwei Brüdern und besaß noch ein Lokal direkt über der Disco. Er sagte uns, dass jedes Wochenende und dienstags geöffnet wäre und wir auf jeden Fall wiederkommen sollten, wir bräuchten auch nichts zu bezahlen. Von diesem Tag an wurde das Passion unser zweites Wohnzimmer. Wir brachten Freunde und unsere Lieblingsmusik mit, die der DJ für uns auflegte, und Murat war froh, dass in den Laden überhaupt jemand kam. Irgendwann bot er mir einen Job an und ich nahm dankend an, denn ich konnte jeden Cent gebrauchen, auch wenn das bedeutete, dass ich an den Wochenenden erst im Café Duck und danach an der Kasse im Passion arbeiten musste, während Tina auf der Tanzfläche rockte.
    Mit der Zeit wurde es immer voller im Passion, aber die Gäste waren von der ganz schlimmen Sorte, was man ihnen nicht sofort ansah. Tina und ich hatten keinen blassen Schimmer, in welcher Gesellschaft wir uns befanden. Erst nach und nach bekam ich mit, dass sich hier Drogendealer, Zuhälter, Waffenhändler und andere Kriminelle vergnügten. Einmal kam eine Horde ausländischer Männer mit breiten Schultern und düsteren Gesichtern herein. Murat führte sie durch eine versteckte Tür hinter der Garderobenwand, die ich zuvor noch nie bemerkt hatte. Nach einer halben Stunde kamen sie alle wieder heraus und fuhren in ihren protzigen Autos davon. Ich stellte keine Fragen, weil ich lieber gar nicht wissen wollte, was hier vor sich ging.

Schwärmerei für den falschen Prinzen
    Im Passion gab es einen Typen, der mir schon eine Zeit lang aufgefallen und mit Murat und seinen Brüdern befreundet war. Es dauerte eine Weile, bis Erkan sich mir irgendwann vorstellte und wir ins Gespräch kamen. Er hatte auf mich immer einen ziemlich
unnahbaren Eindruck gemacht, deshalb fühlte ich mich besonders geschmeichelt, als er sich plötzlich doch für mich zu interessieren schien. Erst viel später verstand ich, dass das seine Masche war und er so Frauenherzen eroberte, auch das der coolen Khadra, die um keinen flotten Spruch verlegen war. Ich verliebte mich in ihn, weil er Stärke ausstrahlte und eine beschützende Art hatte, nach der ich mich sehnte. Ich suchte einen Halt, eine Zuflucht. Obwohl ich es mir nicht eingestand, fühlte ich mich einsam und verloren, denn die Einzige, die ich hier hatte, war Tina, sie war meine Familie. Ihretwegen hatte ich sogar bei den Cheerleadern aufgehört, nachdem Tina sich mit der Trainerin gestritten hatte und dort rausgeflogen war.
    Erkans Anwesenheit war ein weiterer Grund, auch dann im Passion abzuhängen, wenn ich nicht dort arbeiten musste, denn dies war der einzige Ort, an dem ich ihn treffen konnte, weil er während der Woche nie Zeit hatte und auch telefonisch nicht zu erreichen war.
    Ich wusste nichts über Erkan, und er war schwer zu durchschauen. Aber auch ich war eher kühl und hatte Schwierigkeiten, Gefühle offen zu zeigen. Ich tastete mich langsam vorwärts, näher an ihn heran. Manchmal schmeichelte es ihm, aber sobald es ihm zu viel wurde, blockte er wieder ab, sodass ich nie wirklich an ihn herankam. Ich spürte, dass irgendetwas nicht in Ordnung war, dass es Dinge gab, die er vor mir verheimlichte. Selbst in meiner Gegenwart im Passion schweifte sein Blick ständig umher, und wenn Frauen reinkamen, verrieten mir ihre Blicke, dass sie ihn kannten, aber er versuchte, sie zu ignorieren. Dann stand er plötzlich auf und verschwand eine Zeit lang in die Richtung, in die die Frauen gegangen waren. Ich wollte nicht, dass er sah, wie mich die Eifersucht irre machte, denn Erkan brach Beziehungen sofort ab, wenn ihm irgendetwas nicht passte. Entweder man spielte nach seinen Regeln mit oder gar nicht mehr. Aber ich tat so, als würde es mir nichts ausmachen, denn Liebe und Schmerz
gab es nur im Doppelpack, so hatte ich es erfahren und ich war inzwischen davon überzeugt, dass es für mich eben nur genau so laufen könnte. Ich weiß bis heute nicht, was ich für ihn war und ob er jemals überhaupt etwas für mich empfunden hat.
    Auf jeden Fall war jemand wie Erkan das Schlimmste, was mir in dieser Lebensphase passieren konnte. Der Stress mit ihm zog mich so runter, dass ich kaum an etwas anderes denken konnte. Ständig erzählte mir Tina, mit welchem Mädel sie ihn gesehen hatte, während sein Telefon ausgeschaltet war, wenn ich ihn anrief. Jedes Mal, wenn ich so was hörte, warf es mich völlig aus der Bahn.
    Einmal kam ich in die Disco und sah, wie er sich gerade mit einem Mädchen unterhielt. Sie verschwand

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