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Das Mädchen in den Wellen

Das Mädchen in den Wellen

Titel: Das Mädchen in den Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri
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Figuren beschrieb. Malcolm und die Mädchen rannten durchs Gras und schufen ein Labyrinth aus Wegen, die einander kreuzten oder auseinanderführten. Annie und Ella sausten zwischen den Glockenblumen hindurch, während Malcolm den Drachen mit singender Schnur fliegen ließ. »Höher, Daddy, höher!«, bettelten sie, und er tat ihnen den Gefallen. Für sie hätte er Himmel und Wolken heruntergeholt. Oder es zumindest versucht. Eine Decke aus dem Blau des Himmels, Kissen aus Wolken. »Mama, komm, mach mit!«, rief Annie. Nora durchbrach den Sicherheitsabstand zu Malcolm und lief mit ausgebreiteten Armen zu ihnen. »Fliegst du, Mama?«, fragte Annie. Nora spürte die Wärme der Sonne und den Wind auf ihrer Haut, ein belebendes Gefühl der Leichtigkeit. »Was sind wir?«, erkundigte sich Nora. »Spatzen«, antwortete Ella. Der aerodynamischste Vogel von allen. »Spatzen!«, fiel Annie ein. »Spatzen!« Nora legte lachend den Kopf in den Nacken, so dass die Wiese sich um sie drehte. Malcolm folgte ihnen, den Drachen in der Hand. »Hier lang!«, rief Ella und lief geduckt voran. Annie sprang von einem Baumstamm und landete so leichtfüßig auf dem Boden, dass sie ihn kaum zu berühren schien. »Hier lang!« Nora knapp hinter ihr, außer Atem, gefolgt von Malcolm. Der perfekte Sommerspaß. Ein Spaß, der Nora fast zu dem Gedanken verleitete, dass sie noch viele solche Tage verbringen konnten.
    Da drohte ein Windstoß, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen und riss Malcolm den Drachen aus der Hand, der flatternd auf eine Fichte stürzte.
    »Nein!«, rief Annie aus.
    Sie blieben unter dem Baum stehen, die Unbeschwertheit des Nachmittags schien verflogen zu sein.
    »Tut mir leid«, entschuldigte sich Malcolm. »Ich hätte ihn besser festhalten müssen.«
    Nora, die diese Worte an ihre Beziehung erinnerten, sah ihn an.
    »Er ruht sich aus«, erklärte Ella.
    »Stimmt«, pflichtete Malcolm ihr bei. »Aber vielleicht kann ich ihn überreden, wieder runterzukommen.«
    »Der Baum ist wie ein Berg«, bemerkte Annie. Ein Berg aus grünen Nadeln.
    »Ich kaufe euch einen neuen«, versprach Malcolm, als könnte er so die Minuten auf der Wiese, die bereits der Vergangenheit angehörten, zu neuem Leben erwecken. Er zerrte an der Schnur, zuerst vorsichtig, dann fester. Der Drachen flatterte einen Ast hinunter und verkeilte sich dort, wie um ihn zu verspotten.
    »Lasst uns reingehen, Limonade machen«, schlug Nora vor, die seine Frustration spürte. »Ihr habt sicher Durst.«
    »Möchtest du welche, Daddy?«, erkundigte sich Ella.
    »Ja, bringt mir doch ein Glas. Es ist gar nicht so leicht, ein Vogel zu sein und mit einem anderen Vogel zu verhandeln. Ihr wisst, wo ihr mich findet.«
    Ausnahmsweise, dachte Nora.
    Die Mädchen liefen voran zum Cottage. Dort ging Nora um Malcolms Sportwagen herum. Durch das halb offene Fenster vernahm sie Handysummen. Am Morgen hatte er den Drachen aus dem Wagen geholt und ungestört die Nachrichten auf seiner Mailbox abgehört.
    Sie hob den Blick. Er konnte sie nicht sehen. Das Handy brummte wütend wie ein eingeschlossenes Insekt. Vielleicht war der Anruf wichtig für seinen Job, vielleicht auch für sie. Wenn sie ranging, konnte sie möglicherweise besser einschätzen, ob er sie wieder zum Narren hielt.
    Nora warf einen Blick aufs Display, das ihr in dem Moment groß wie eine Plakatwand erschien. Eine SMS von ihr . Nora zögerte, auf die Taste zu drücken. Wollte sie es wirklich wissen? Sein Vertrauen missbrauchen? Am Ende siegte die Neugierde.
    Hast du ihr die Papiere schon gegeben?
    Da kam er um die Ecke.
    »Ein Anruf in Abwesenheit«, teilte sie ihm mit.
    »Du hättest nicht rangehen müssen.«
    »Eine Nachricht.« Sie hielt ihm das Handy hin.
    Drinnen pressten die Mädchen Zitronen aus, gaben Zucker dazu, damit die Limonade süß wurde. Der Tag und alles, was zwischen ihnen stand, zerbrechlich wie Glas.
    »Ich kann es erklären. Nora …«
    »Vergiss nicht, ich bin deine Frau, keine deiner Wählerinnen.«
    »Das ist nicht fair. Ich will das nicht.«
    »Was?« Ihre Worte klangen schrill.
    »Die Scheidung.«
    »Aber sie glaubt das.«
    »Ich habe nicht gesagt …«
    »Nein?«
    »Sie muss erst mal ihre eigene Situation in den Griff kriegen.«
    Das also waren Ehen für ihn. Situationen. »Eine gute Basis für eine Beziehung: Zerstörung und Täuschung. Freut mich, dass ihr zwei so viele Gemeinsamkeiten habt.«
    »An mir geht das auch nicht spurlos vorüber.«
    »Gott, tust du mir leid.«
    »Nicht so

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