Das Mädchen in den Wellen
Dee Dee« , stimmten sie ein. » Fiddle Dee Dee.« Es schien, als wäre er schon seit Tagen da, als wäre die Familie gar nicht ohne ihn auf die Insel gekommen. Wie leicht er sich wieder in ihr Leben einfügte, wie eine Hand in einen Handschuh, dachte Nora.
Er baute mit seinen Töchtern eine wackelige Sandburg, die die Flut zerstörte, ein kaputtes Königreich mit überspülten Zinnen und bröckelnden Mauern.
Annie winkte ihr zu, Nora winkte zurück – auf den ersten Blick eine unbeschwerte Szene.
Malcolm lief über den Strand zu Nora, er war attraktiv wie immer. »Jetzt bist du dran«, sagte er und deutete auf die Mädchen, die in dem halb auf dem Strand liegenden Boot warteten.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«
»Mom fährt nie mit dem Boot raus«, rief Ella. »Sie mag Boote nicht.«
»Das habe ich nicht gesagt«, widersprach Nora.
»Ein tolles kleines Boot«, bemerkte Malcolm. »Schön und schlicht. Es ist ziemlich alt, stimmt’s? Weißt du, wem es früher gehört hat?«
Die Sonne ließ die hellen Strähnen in den Haaren der Mädchen, die denen von Malcolm so ähnelten, aufleuchten. Keine Spur von Grau in den seinen – nach allem, was geschehen war.
»Meiner Mutter.« Sie hatte Maeve nur selten erwähnt, auch Malcolm gegenüber. Ihre gemeinsame Geschichte war so kurz gewesen, sie hatte so wenig, worauf sie sich berufen konnte. Erst als Maires Brief eingetroffen und Nora auf die Insel gekommen war, hatte sie sich eingehender mit der Vergangenheit befasst. Jener frühe Verlust verstärkte den neueren, der ihr Leben wieder auf den Kopf gestellt, aus den Angeln gehoben hatte.
»Und das Cottage?«
»Da haben wir gewohnt, als ich klein war. Die Einzelheiten spielen keine Rolle. Manchmal ist es leichter, sich der Zukunft zu widmen.«
Er wandte den Blick ab. »Dazu fehlt mir die Begabung.«
»Ach.«
»Und du?«, fragte er vorsichtig.
»Wie meinst du das?«
»Hast du jemanden kennengelernt?«
»Wen sollte ich kennengelernt haben?«
Er deutete mit dem Kopf zu den Felsen an der Landspitze, wo Owen fischte. Nora hatte ihn gar nicht bemerkt. Die Mädchen mussten Malcolm auf ihn aufmerksam gemacht haben. Ella.
»Er hat Schiffbruch erlitten.«
»Wie dramatisch.«
»Ich kontrolliere weder das Wetter noch die Schifffahrtsrouten.«
»Nein, aber gern alles andere.«
Sie verkniff sich eine Erwiderung. Leider hatte er recht. Sie war tatsächlich vorsichtig und argwöhnisch. Im Jurastudium war ihr das zugutegekommen – die genauen Regeln, die dort herrschten, hatten sie fasziniert –, später auch bei der Erziehung der Mädchen. Seit der Trennung verspürte sie das Bedürfnis, noch mehr Kontrolle auszuüben; besonders jetzt, da Malcolm mit seiner Energie und seinem Wagemut hier war.
»Ella sagt, du hättest ihn gefunden«, fuhr er fort.
»Was hätte ich denn tun sollen? Ihn einfach liegen lassen?«
Er zuckte mit den Achseln.
»Maire hat ihn gebeten zu bleiben«, erklärte Nora. »Ich hatte damit nichts zu tun. Glaub nicht, dass alle so wie du nach anderen schauen.«
»Ich glaube überhaupt nichts.«
»Nein?« Sie sah ihn an. »Worum geht’s bei dieser Diskussion wirklich?«
»Sag du’s mir.«
»Ah, verstehe: Du willst mich nicht – aber du willst auch nicht, dass irgendjemand sonst mich kriegt, stimmt’s?«
»Ich habe nie gesagt, dass ich dich nicht will.« Sein Blick fiel auf ihre Tätowierung. »Wann hast du dir die machen lassen? Midlife-Crisis oder was?«
»Dafür bist eher du zuständig. Nein, das ist eine alte Inseltradition.«
»Das hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
»Du kennst mich eben nicht wirklich, Malcolm. Auch wenn du das glaubst.«
Annie gesellte sich zu ihnen. »Streitet ihr?«
»Nein«, sagten sie unisono.
»Hört sich aber so an.«
Nora seufzte. Sie spürte Owens Blick. Waren sie laut geworden? Es wäre nicht das erste Mal gewesen.
»Bitte streitet nicht vor Tante Maire«, bat Annie. »Ihr sollt überhaupt nicht streiten.«
»Tante Maire?«, fragte Nora.
»Hast du das vergessen?« Ella wich Malcolm nicht von der Seite. »Wir sind doch heute Abend bei ihr zum Essen eingeladen.«
Das hatte Nora tatsächlich vergessen. »Ich sage ihr, wir haben keine Zeit.«
»Meinetwegen müsst ihr nicht absagen«, versicherte Malcolm ihnen. »Obwohl ich sie gern kennenlernen würde.«
»Wir können Daddy nicht allein lassen«, erklärte Ella in bestimmtem Tonfall. »Tante Maire sagt immer, je mehr Leute, desto lustiger. Ihr macht es nichts aus, wenn er mitkommt.«
Ihr
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