Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen in den Wellen

Das Mädchen in den Wellen

Titel: Das Mädchen in den Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri
Vom Netzwerk:
Schlepptau, ins Haus lief. Owen kniete im Gras und hielt Maires Hand. Es kommt alles wieder in Ordnung. Nein, nichts würde wieder in Ordnung kommen.
    Der Arzt? Der war beim Angeln, Maire vertrat ihn. Maire, die alles und jeden in Ordnung bringen konnte, nur nicht sich selbst. Als der Hubschrauber vom Festland eintraf, war sie bereits tot. Wie war das möglich, wenn sie gerade noch gelebt hatte? Wie? Es ergab keinen Sinn. Nichts ergab einen Sinn.
    Die Tage vergingen in einem Nebel der Ungläubigkeit. So vieles musste geregelt werden. Der Leiter des kleinen Bestattungsinstituts, Mr. Dunn von Dunn & Sons, half Nora bei der Erledigung der Formalitäten. Sie kannte das von ihrem Vater: der Grabstein, die Schrift darauf. Diesmal war nicht so viel zu tun wie damals. Maire hatte alles festgelegt, als hätte sie geahnt, was kommen würde. Neben dem Namen ihres Mannes Joe war auf dem Inselgranit auf der rechten Seite Platz für die Inschrift: »Maire Katherine Flaherty. 30. September 1951 – 15. August 2012.« Polly passte auf die Mädchen auf, während Nora sich um alles kümmerte. Nora hatte Mühe, sich auf die Straße zu konzentrieren, als sie zum Cottage zurückfuhr.
    »Ich verstehe das nicht«, begrüßte Polly sie leise, während die Mädchen mit den Katzen spielten. »Sie hat alles richtig gemacht, sich gesund ernährt und sich viel bewegt, sich nie die Haare gefärbt, die Nägel lackiert oder sich geschminkt. Sie hatte Freunde und ist in die Kirche gegangen. Sie hat einfach alles getan, was man für ein gesundes, erfülltes Leben tun kann.«
    Nora drückte ihre Hand. »Wie geht’s ihnen?« Nora deutete auf die Mädchen.
    »Ganz gut. Ich glaube, so ganz ist es bei ihnen noch nicht angekommen. Bei uns auch nicht, oder? Ich habe die Fenster von Maires Schlafzimmer geöffnet, damit ihre Seele hinauskann, eine Inseltradition. Ich hoffe, das war in Ordnung. Ich mache sie wieder zu, bevor ich gehe.«
    Nora nickte.
    Polly drückte sie. »Wir stehen das gemeinsam durch.«
    Als die Mädchen im Bett waren, klopfte Owen ans Wohnzimmerfenster. Nora, die nicht schlafen konnte, hatte gehofft, dass er kommen würde. Sie ging mit Decken hinaus auf die Terrasse, wo sie sich unter den sternenklaren Himmel setzten. Es war, als hinge alles in der Schwebe, als trauerte das Universum. Nur das Geräusch der Wellen durchbrach die Stille.
    »Ich war gerade erst dabei, sie kennenzulernen«, bemerkte Nora. »Und ich hatte vor, am Morgen zu ihr zu gehen. Ich hätte nicht warten sollen. Vielleicht hätte ich dann früher Hilfe holen können …«
    »Du konntest nicht wissen, was passieren würde.«
    »Sie war wie eine zweite Mutter für mich. Das habe ich ihr nie gesagt, weil ich zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt war.«
    »Du konntest nicht ahnen, was los war. Sie hat sich, abgesehen von den Schwindelanfällen, nichts anmerken lassen, und über die hat sie auch bloß geredet, weil sie sich nicht verheimlichen ließen. Sie hat sich für andere aufgeopfert. So war sie nun mal.«
    »Meinst du, sie wusste, dass sie krank war?«
    Er seufzte. »Möglich. Schwer zu sagen.«
    »Da waren diese ganzen Notizzettel am Kühlschrank. Überall. Ich dachte, sie ist super organisiert, aber …«
    »Das ist jetzt nicht mehr wichtig, Nora. Sie war froh über eure Anwesenheit und hat die Zeit mit euch genossen, das hat sie mir gesagt. Daran sollten wir denken, nicht an die Dinge, die wir nicht ändern können.« Tröstende Worte für sie beide. Nora wusste, dass Maire Owen auch fehlte.
    Würde er gehen, jetzt, da Maire tot war? Nora legte den Kopf an seine Schulter. Sie konnte keine weiteren Verluste ertragen. »Das Leben ist ziemlich fragil.«
    »Ja«, pflichtete er ihr bei. »Das stimmt.«
    Sie blieb bei ihm, bis es kühler wurde, dann ging sie allein hinein und schloss leise die Tür hinter sich.
    Ella wachte schreiend auf.
    Nora schreckte hoch. Sie war eingedöst; die Lampe neben dem Bett brannte, das Buch, in dem sie gelesen hatte, lag aufgeschlagen neben ihr. Sie hastete zu Ella, die sich fast hysterisch vor Angst unter der Bettdecke verkroch. Auch Annie war wach, aber ruhig.
    »Ich hab sie gesehen.« Ella deutete auf das Fenster, vor dem der Vorhang sich im Wind bewegte.
    »Wen hast du gesehen, Liebes?« Nora legte die Arme um das zitternde Kind. So hatte Nora sie noch nie erlebt.
    »Tante Maire. Mrs. Clennon hat gesagt, sie hätte die Fenster in Cliff House offen gelassen, damit sie rauskann. Und sie ist raus, stimmt’s? Jetzt ist sie da

Weitere Kostenlose Bücher