Das Maedchen mit dem Flammenherz
Sie war sehr geschickt darin, immer auf den Füßen zu landen.
Er sah auf seine Taschenuhr. Fast halb acht. Bald würde er sich mit Griffin und den anderen zum Abendessen treffen. Dabei konnte er ihnen berichten, was er von Cat erfahren hatte.
Zum ersten Mal, seit er zwangsweise in Daltons Bande zurückgeführt worden war, hatte Jasper das Gefühl, dieses Kapitel seines Lebens könne endlich einen Abschluss finden. Die Mordanklage gegen ihn würde fallen gelassen werden, und seine Familie wäre von der Schande befreit, die er über sie gebracht hatte.
Jetzt konnte er in die Zukunft blicken und endlich damit aufhören, in der Vergangenheit zu leben. Er konnte weiterziehen. Hoffentlich folgte ihm auch sein Herz.
Finley riss die Augen auf. Abgesehen von dem Mondlicht, das durch ihr offenes Fenster hereinfiel, war es dunkel.
Das Fenster war geschlossen gewesen, als sie zu Bett gegangen war.
Sie blieb unter der Decke liegen, löste den Blick von dem im Wind wallenden Vorhang und betrachtete den Raum. Sofern sie das Fenster nicht im Schlaf geöffnet hatte, war sie nicht allein. Das leise Knarren der Dielenbretter bestätigte ihren Verdacht.
Natürlich hatte sie damit gerechnet, dass Dalton einen Mörder auf sie und Jasper ansetzen würde. Eigentlich war sie sogar überrascht, dass es so lange gedauert hatte. Zweifellos hatte Dalton versucht, sie in trügerischer Sicherheit zu wiegen, ehe er zuschlug. Er war doch wirklich ein Schatz.
Sie atmete flach und tat so, als schliefe sie, während sie darauf wartete, dass sich der Meuchelmörder in Bewegung setzte. Eine Schusswaffe hätte zu viel Aufmerksamkeit erregt, deshalb musste der Mörder nahe an sie heran, um sie zu töten. Sie hatte die Augen gerade eben weit genug geöffnet, um die Schatten im Raum zu beobachten.
Einer der Schatten bewegte sich und nahm menschliche Gestalt an, während er sich näherte. Er oder sie war zu groß, es konnte nicht Mei sein. Wie enttäuschend. Sie hatte gehofft, noch eine Gelegenheit zu bekommen, dieses widerwärtige Biest zu verprügeln. Für Little Hank war der Schatten andererseits zu klein. Es handelte sich entweder um einen der anderen Handlanger, oder Dalton hatte einen Profi angeheuert. Vielleicht auch einen Amateur, wenn man berücksichtigte, wie leicht sie seine Gegenwart gespürt hatte.
Der Schatten kam näher, schlich neben das Bett, blieb am Kopfende stehen und verdeckte den größten Teil des Mondlichts. Immer näher kam er und beugte sich über sie, einen Strick zwischen den Händen gespannt. Finley wartete, bis das Seil fast ihren Hals berührte, ehe sie den Angreifer an der Weste packte und zu sich herabzog, um ihm mit der Stirn die Nase zu zertrümmern. Er schrie auf – es handelte sich tatsächlich um einen Mann –, aber sie war noch nicht mit ihm fertig.
Finley hockte sich auf die Knie, ohne den Angreifer loszulassen. Er hatte sich inzwischen erholt und wehrte sich, doch ohne den Strick stellte er keine Bedrohung mehr da. Abermals versetzte sie ihm einen Kopfstoß, der dieses Mal kräftig genug war, um ihn ohnmächtig zusammenbrechen zu lassen.
Ohne sich etwas über die Unterwäsche zu ziehen, stieg sie aus dem Bett, drehte ihn auf den Bauch und fesselte ihm mit seinem eigenen Strick die Hände hinter dem Rücken. Das Schnürband eines Korsetts benutzte sie, um ihm zusätzlich die Füße zu fesseln, und schließlich verknotete sie das Schnürband mit dem Strick, um ihn festzusetzen wie ein Stück Vieh.
Dann fiel ihr Jasper ein. Gut möglich, dass ein zweiter Mörder in das Zimmer des Cowboys eingedrungen war. Es sei denn, ihr Besucher hatte den Auftrag gehabt, sie beide auszuschalten. Schwer zu sagen, welche der beiden Möglichkeiten zutraf.
Eilig zog sie die Hose an, die sie sich bei Griffin ausgeborgt hatte, und schlüpfte in das Hemd. Die Sachen waren noch nicht gewaschen, reichten im Augenblick aber aus. Barfüßig verließ sie eilig ihr Zimmer und lief den Flur hinunter zu Jaspers Raum.
Die Tür war versperrt. Verdammt auch.
Finley rannte in ihren Raum zurück, sprang über den bewusstlosen Mörder hinweg und beugte sich aus dem Fenster. Jaspers Zimmer war das übernächste, und wenn sie außen herum zu ihm wollte, musste sie sich auf den schmalen gemauerten Sims hinauswagen, der rings um das Gebäude verlief.
Nur gut, dass sie keine Höhenangst hatte.
Seufzend schob sie sich halb aus dem Fenster und löste den Kletterapparat des Meuchelmörders von der Wand. Er landete unten auf dem Gehweg, das
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