Das Maedchen mit dem Flammenherz
lag eine ganze Litanei an Warnungen. »Es geht darum, Jasper zu helfen, nicht darum, Griffin irgendetwas heimzuzahlen. Warum ist er überhaupt sauer auf dich?«
Finley deutete auf die Kommode, wo der Blumenstrauß stand. »Die sind von Jack.«
»Oh.« Emily riss die Augen auf und betrachtete den Strauß. »Sie sind schön. Woher wusste er, wohin er sie schicken musste?«
Finley kicherte, obwohl ihr überhaupt nicht nach Lachen zumute war. »Griffin nimmt an, er habe sich große Mühe gegeben, mich aufzuspüren. Wie ich Jack kenne, hat er wohl nur ein Hausmädchen freundlich angegrinst. Wahrscheinlich wollte er vor allem Griffin ärgern. Wie auch immer – eine romantische Geste war es nicht.«
»Das sieht mir aber ziemlich romantisch aus.« Emily bestaunte immer noch die Blumen, beugte sich vor und roch an den Blüten.
»Wenn Jack Dandy mich um den Finger wickeln wollte, dann hätte der Strauß eine Persönlichkeit gehabt, die meiner entspricht. Die Rosen sind nur seine Art, Hallo zu sagen.«
Emily seufzte. »Ich wünschte, zu mir würde auch mal jemand Hallo sagen.«
Finley ging zur Kommode und zog die schönste Rose aus dem Strauß, um sie ihrer Freundin anzubieten. »Hallo Em.«
Ihre Freundin – es kam ihr immer noch seltsam vor, das Mädchen so zu bezeichnen – strahlte und schlang die blassen Arme um Finley. »Danke«, sagte Emily.
Finley drückte sie und ließ sie dann los. Sie strich sich mit den Händen über das violette Korsett, das unter der Umarmung jedoch nicht gelitten hatte, und dachte über Jasper nach. Das war deutlich angenehmer, als an Jack und besonders an Griffin zu denken.
»Ich werde mein Stahlkorsett brauchen, und dich müssen wir auch ein wenig zurechtmachen, damit du zwischen den irischen Banden nicht auffällst. Allerdings hast du eine von ihnen heute ja schon gehörig beeindruckt.«
Emily reckte das Kinn vor. »Mach dir meinetwegen mal keine Sorgen, Finley Jayne. Ich kümmere mich darum, und ich habe die Ohrstöpsel dabei, sodass wir uns verständigen können. Ich wünschte nur, ich hätte Zeit, dir etwas Metall in die Knöchel zu implantieren. Dann könntest du noch viel härter zuschlagen.«
Die Vorstellung, dass Emily ihr die Hände aufschnitt und die Knochen mit Messing überzog, behagte Finley nicht sehr. Mal ganz davon abgesehen, dass sie beobachtet hatte, wie das Mädchen Sams Brusthöhle aufgeknackt hatte wie eine Auster.
»Ich bandagiere mir die Hände, wie Jasper es mir gezeigt hat«, sagte sie. Die beiden Mädchen schwiegen einen Moment, während sie an ihn dachten.
»Er ist kein Mörder«, erklärte Emily schließlich entschieden. »So wenig wie du oder ich.«
»Jeder Mensch kann töten, wenn er nur einen guten Grund hat«, erwiderte Finley abwesend, während sie die Zeitung in die Hand nahm, die Emily mitgebracht hatte. Das Foto eines Mannes namens Nikola Tesla starrte ihr von dem Papier entgegen. Emily hatte ihn schon einmal erwähnt. Anscheinend betrieb er hier in New York ein Labor.
»Gibt es überhaupt einen Grund, jemanden zu töten?« Vorsichtig ausgedrückt, klang Emilys Frage mehr als ungläubig.
Finley warf die Zeitung auf die Kommode. »Würdest du dich nicht wehren, wenn dich jemand angreift?«
»Aber natürlich!«
»Dabei könntest du ihn töten. Notwehr ist ein guter Grund. Jemand anders zu retten ist sogar ein noch viel besserer Grund.«
Emily kniff die hellen Augen zusammen. »Meinst du, Jasper hat vielleicht jemanden beschützt?«
»Keine Ahnung.« Finley legte den Kopf schief und seufzte, als es laut knackte. Dann wiederholte sie das Ganze auf der anderen Seite. »Jasper ist jedenfalls nicht der Typ, der einfach so ohne guten Grund jemanden tötet.«
Emily nickte knapp und energisch. »Wir müssen herausfinden, was damals wirklich geschehen ist – und hör bitte auf damit. Es dreht mir jedes Mal den Magen um, wenn deine Körperteile so knacken und knirschen.«
»Wir finden die Wahrheit heraus.« Finleys Magen knurrte. »Herr im Himmel, ich bin am Verhungern. Ich rufe die Küche an und lasse etwas zu essen bringen. Du willst doch sicher auch etwas, oder hat dein empfindlicher Magen unter dem Knacken und Knirschen zu sehr gelitten?«
Emily schnitt eine Grimasse, war über den Seitenhieb aber nicht sonderlich erbost. Sie beschlossen, Tee, Sandwichs, Obst und Gebäck zu bestellen. Finley hatte ausnahmsweise keinerlei Schuldgefühle bei dem Gedanken, dass Griffin ihre Völlerei bezahlen würde. Am vergangenen Abend hatte er sich wirklich
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