Das Maedchen mit dem Flammenherz
schrecklich benommen. Und schlimmer noch – er hatte sie mit der Bemerkung verletzt, er werde nicht um ihre Zuneigung kämpfen. Warum denn nicht? War dies nicht das, was Helden taten, wenn sie Gefahr liefen, ihre Heldin zu verlieren?
Sie würde um ihn kämpfen. Oder etwa nicht? Wenn sie ehrlich war, wusste sie es nicht genau. Natürlich würde sie nicht tatenlos zusehen, wenn ihn jemand verletzte, aber um seine Zuneigung kämpfen … nicht zum ersten Mal hielt sie sich vor Augen, dass eine Beziehung zwischen ihnen von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Sie konnte dagegen wettern, bis sie blau anlief, aber es blieb die schlichte Tatsache, dass sie ihn mochte – so sehr, dass sie sich sogar schon über Paare aus unterschiedlichen sozialen Schichten informiert hatte. Aschenbrödel und ihr Prinz zählten zwar nicht, aber irgendwo hatte auch diese Geschichte ihren Anfang genommen und spen dete jedem armen kleinen Mädchen, das sie hörte, ein wenig Hoffnung.
Wenn Griffin King also dachte, er könne sie ignorieren, nachdem er ihr mehr oder weniger seine Liebe gestanden hatte, dann irrte er sich gewaltig. Es tat weh, dass er sie so behandelte. Es war erniedrigend, und sie war sich nicht sicher, ob sie es ihm jemals verzeihen konnte. Glaubte er wirklich, er könne so mit ihr reden, nur weil sie sich nicht verhielt, wie er es von einem Mädchen erwartete?
Vor ein paar Wochen hätte sie nicht im Traum daran ge dacht, etwas Gefährliches zu tun, um die Aufmerksamkeit eines jungen Mannes auf sich zu ziehen. Genauer gesagt hätte sie sich über jedes Mädchen lustig gemacht, das sich so dumm verhielt. Nun aber hatte sie einen Plan ausgeheckt, der hoffentlich Jasper helfen und es Griffin heimzahlen würde. Sie wollte nicht nur seine Aufmerksamkeit erregen, sondern ihm unmissverständlich unter die Nase reiben, dass sie nun einmal war, was sie war, und dass er sogar dazu beigetragen hatte, sie dazu zu machen – schließlich hatte er sie angehalten, die beiden Seiten ihrer Persönlichkeit miteinander zu verschmelzen.
»Bist du sicher, dass ich dir diese Dummheiten nicht ausreden kann?«, fragte Emily eine Weile später, als sie am Tisch vor dem Fenster saßen und ihre wundervolle Mahlzeit zu sich nahmen.
»Vollkommen. Inzwischen weiß Dalton, dass der Duke of Greythorne in der Stadt ist und Erkundigungen über ihn einzieht. Dalton rechnet aber nicht damit, dass sich Griffin mit einem Mädchen wie mir abgibt, oder jedenfalls nicht sehr lange.«
Emily schnitt eine Grimasse, weil sich Finley so drastisch ausdrückte – dabei wusste sie so gut wie ihre Freundin, dass es der Wahrheit entsprach. »Es gefällt mir trotzdem nicht. Wir wissen eigentlich überhaupt nichts über diesen Dalton, wenn man von dem wenigen absieht, das Griffin herausgefunden hat – und du kannst bisher nur beisteuern, dass er harte Mädchen mag.«
Finley biss von ihrem Gurkensandwich ab, kaute und schluckte, ehe sie antwortete. »Mehr muss ich im Moment auch nicht wissen. Den Rest finde ich schon noch heraus, wenn ich in seine Bande eingedrungen bin. Für den Fall, dass ich mit dir Kontakt aufnehmen muss, habe ich meinen tragbaren Telegrafen dabei.«
»Du musst unbedingt mit mir Verbindung aufnehmen. Ich will alle drei Stunden etwas von dir hören, wenn dein idiotischer Plan funktioniert.«
Finley gab sich große Mühe, beschwichtigend zu antworten. »Das ist vielleicht nicht möglich, Em.«
Auf einmal zielte ein bleicher Finger anklagend auf sie. »Jetzt hör mal zu, Miss Finley Jayne. Du machst es möglich, denn sonst komme ich und hole dich.«
Finley musste grinsen. Es gefiel ihr, eine Freundin zu haben, und noch dazu eine, der ihr Wohlergehen so am Herzen lag. »Na gut, meinetwegen. Aber spar dir die Sorgen, bis ich Daltons Aufmerksamkeit erregt habe. Er wird mich nicht einfach so in seine Bande aufnehmen. Wir sollten uns auf den Kampf am heutigen Abend konzentrieren, und du kannst immer noch nervös werden, wenn ich mich in Daltons Klauen befinde. Du weißt doch, dass ich die meisten Männer mühelos bewusstlos schlagen kann, oder? Ich meine, ich kann kämpfen.« Genau genommen mochte sie es sogar. Das war der schönste Teil ihrer dunklen Seite gewesen. Nachdem sie die beiden Hälften vereinigt hatte – auch wenn sie noch viel tun musste, um in sich selbst Ordnung zu schaffen –, war es ein fach ein Teil ihrer selbst.
»Ich hoffe nur, Dalton besitzt keine besonderen Fähigkeiten.« Emily kaute schon wieder am Daumennagel. »Ich mag
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