Das Maedchen mit dem Flammenherz
schloss sie hinter sich die Tür und trat in die helle Nachmittagssonne hinaus, doch sie spürte die Wärme kaum. Unten vor der Treppe saß Emilys große Metallkatze. Aus dem Kopf ragten Haltegriffe. Emily setzte sich auf das Tier und hielt sich an den Griffen fest.
»Steig auf«, sagte sie.
Finley stellte keine weiteren Fragen, und um ehrlich zu sein, war ihr egal, was hinter ihr geschah. Sie setzte sich auf den Rücken der Katze und legte der Freundin die Arme um die Hüften. Gleich darauf rasten sie in nördlicher Richtung zum Waldorf-Astoria durch die Straßen. Die Katze rannte so schnell, dass der Wind in Finleys Augen brannte. Daran musste es liegen, denn es war völlig ausgeschlossen, dass sie weinte.
Im Hotel stürmte sie die Treppen hinauf, statt auf den Lift zu warten. Sie sprang immer zwei Stufen auf einmal hinauf und war schneller oben, als es die meisten anderen Menschen geschafft hätten. Volle zwei Minuten vor Emily erreichte sie Griffins Zimmer, riss die Tür auf und fand ihn auf dem Bett vor. Sam saß daneben auf einem Stuhl.
Finley würdigte Sam, der höflich aufstand, sobald sie hereinplatzte, kaum eines Blickes. Sie hatte nur Augen für Griffin.
Er hatte mehrere Schnittwunden im Gesicht, im Mundwinkel klebte geronnenes Blut. Die Hände, die auf der Bettdecke lagen, waren verbunden, und auf der entblößten Brust lag ein großes, blutiges Wundtuch.
»Was ist passiert?«, keuchte sie. Ihre Kehle war so eng, dass sie kaum atmen konnte.
Zu ihrer Überraschung legte Sam ihr eine Pranke auf die Schulter und drückte sanft. »Das wissen wir nicht. In Teslas Labor hat eine Maschine versagt. Es hatte mit dem Äther zu tun. Griffin hat sie abgeschaltet, und dies ist die Folge davon.«
Finley blickte auf und bemerkte erst jetzt den schlanken älteren Mann mit den dunklen Haaren und dem Schnurrbart, der in einer Ecke auf einem Stuhl saß. Es musste Mr. Tesla sein – niemand sonst konnte in diesem Moment so schuldbewusst dreinschauen.
Sie wollte ihm Vorhaltungen machen und auf das feinknochige Gesicht eindreschen, bis es unter ihren Fäusten zersprang. Sie beherrschte sich, denn sie war nicht dabei gewesen, obwohl sie doch hätte dort sein sollen, und hatte Griffin nicht beistehen können. Vielmehr hatte sie sich in einer schmutzigen Gasse mit einer Bande geprügelt, um Jasper und einem Mädchen zu helfen, das sie nicht einmal mochte.
Sie war nicht dort gewesen, wo sie hätte sein sollen, und nun sah sie, was ihm deshalb zugestoßen war. Immer passierte ihm etwas, wenn sie nicht in der Nähe war.
»Das Gerät hätte gar nicht arbeiten dürfen«, informierte Tesla sie. Er sprach mit einem fremdartigen Akzent. »Ich weiß nicht, wie es überhaupt dazu kommen konnte.«
Das echte Bedauern, das sie heraushörte, besänftigte einen großen Teil des Sturms, der in Finleys Brust losgebrochen war. Man konnte ihm so wenig die Schuld geben wie Emily oder Sam. Griffin war wie ein weißer Ritter, der immer losstürmte, um die Welt zu retten, ohne an seine eigene Sicherheit zu denken. Dieser wundervolle Idiot.
»Ich habe seine Verletzungen behandelt«, schaltete sich Emily ein, die inzwischen bei Sam stand. Er hatte einen Arm um ihre Schultern gelegt. Erst jetzt bemerkte Finley das Blut an ihren Ärmeln und auf der Weste. Griffins Blut. »Die Organellen haben die Arbeit aufgenommen, und jetzt können wir nur noch warten.«
Sie mussten also abwarten, ob die Organellen schnell genug arbeiteten. Ob sie ihn heilten, ehe er starb.
»Könntet ihr drei mich einen Augenblick mit ihm allein lassen?«, fragte Finley und ließ den Blick durch den Raum wandern.
Niemand sagte ein Wort; sie gingen einfach hinaus und schlossen die Tür hinter sich.
Finley setzte sich nicht auf den Stuhl, den vorher Sam beansprucht hatte, sondern auf die Bettkante. Dabei achtete sie jedoch darauf, Griffin nicht zu stören und ihm dadurch weiteren Schaden zuzufügen.
Sie konnte nicht einmal seine Hand nehmen, also legte sie die Finger um den nackten Oberarm auf eine unverletzte Stelle. Die Haut fühlte sich kühl an, die Muskeln waren hart.
»Warum bekomme ich dich immer nur dann ohne Hemd zu sehen, wenn du verletzt bist?« Es war ein verzweifelter Versuch, Humor zu zeigen. Dann schluchzte sie. »Wage es ja nicht zu sterben. Du musst überleben, damit ich dich ausschimpfen kann, nachdem du mir so einen Schrecken eingejagt hast.«
Er antwortete nicht. Sie strich ihm die Haare aus dem Gesicht. Dank der Organellen und ihrer Magie war ein
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