Das Maedchen mit dem Stahlkorsett
Deckel ab. »Das habe ich extra für dich gemacht.«
Als Emily einen höchst eigenartigen Apparat heraushob, sperrte Finley den Mund auf. »Ist das … ist das ein Korsett?«
Breit lächelnd nickte Emily. »Gefällt es dir?«
Finley kam näher und berührte vorsichtig das kalte Metall. Es war ein Stahlkorsett – dünne, glänzende Bänder mit eingeprägten Blüten und Blättern, miteinander verbunden durch winzige Scharniere, die es der Trägerin erlaubten, sich ungehindert zu bewegen. Kleine Zahnräder und andere schmückende Gegenstände aus Stahl füllten die größeren Lücken zwischen den Bändern. Das Kleidungsstück mutete an wie ein industriell gefertigter Blumengarten aus Metall.
»Die Lücken sind so schmal, dass die meisten Kugeln und Klingen nicht eindringen können, und wenn dich jemand schlägt, wird er sich die Knöchel brechen.«
Einerseits fand Finley das Korsett ein wenig beängstigend, andererseits war es wunderschön, und sie wollte es unbedingt anprobieren. Es bot ihr Schutz wie eine Rüstung. Normale Menschen trugen keine Rüstungen, doch einem Mädchen, das Ärger anzog und sich und seine Freunde schützen wollte, kam so etwas gerade recht.
»Ich dachte, du könntest es heute Abend tragen.« Emily schien etwas unsicher. »Gefällt es dir denn?«
»O Emily!« In einem seltenen Ausbruch von Zuneigung umarmte Finley das Mädchen. »Und wie es mir gefällt. Verzeih mir, dass ich es nicht schon längst gesagt habe. Ich war viel zu verblüfft.«
Emily seufzte. »Ein Glück! Vielleicht ist es dir auf dem Ball nützlich, falls es dort Schwierigkeiten gibt.«
Finley zog eine Augenbraue hoch. »Rechnest du denn damit?«
»Ich hoffe es nicht, aber mir wäre wohler, wenn du es trägst, während du mit Jack Dandy unterwegs bist.«
Finley drückte sie noch einmal. »Dann hilf mir, es anzulegen.«
Das Kleidungsstück hatte hinten flache Ösen und Schnüre, mit denen es wie jedes andere Korsett an die Maße der Trägerin angepasst werden konnte. Eine kleine Metallplatte konnte über die Schnüre geklappt werden, um die Haut zu schützen. Das geschmiedete Metall legte sich um Finleys Rumpf, als bestünde es aus weichem Stoff statt aus unnachgiebigem Stahl. Es lag eng an, doch sie konnte sich leichter bücken und bewegen als in normaler Kleidung. Das Beste war, dass es überraschend leicht und bequem war.
»Brillant«, flüsterte sie, als sie sich im Standspiegel betrachtete und nach links und rechts drehte, um die Bewegungsfreiheit des Korsetts zu erproben.
Strahlend klatschte Emily in die Hände. »Danke.«
»Ich danke dir .« Finley legte ihr die Hand auf die Schulter. »Dann wollen wir mal sehen, wie es zu meinem Kostüm passt.«
Ihre Freundin – ja, ihre Freundin – half ihr in das wunderschöne Federgewand, zog es ihr über den Kopf und die Schultern und zupfte es zurecht, während Finley die Arme durch die tief angesetzten, ebenfalls mit Federn geschmückten Ärmel schob. Dann schlossen geschickte kleine Finger die Haken auf der Rückseite des Mieders.
»Ich hatte Recht, du siehst aus wie eine Prinzessin.«
Finley stand schon wieder vor dem Spiegel und strich mit den Händen über das eng anliegende Oberteil und den ausgestellten Rock. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«
»Probier mal die Maske.« Emily reichte ihr das fedrige Zubehör.
Sie war schwarz und schimmerte pfauengrün wie das Kleid und das Mieder, der Saum war mit Federn eingefasst. An den Wangenknochen lief die Maske spitz zu, die Nase stand ein wenig vor und hatte eine abgerundete Spitze, die ein wenig an einen kleinen Schnabel erinnerte. Finley verknotete die Bänder hinter dem Kopf und versteckte die Schleife unter den Haaren.
Emily staunte mit offenem Mund. »Bleib so«, verlangte sie und lief hinaus.
Finley gehorchte. Ein paar Minuten später tauchte das Mädchen mit einer Kamera und einem Stativ wieder auf. Rasch baute sie alles auf, richtete die Balgenkamera ein und zielte auf Finley.
»Lächeln!«
Finley lächelte und wurde von einem grellen Blitz geblendet, dass ihr Sterne vor den Augen tanzten. Sie schüttelte den Kopf, während Emily irgendetwas über Emulsionen, Lichtempfindlichkeit und Spezialpapier plapperte. Als Finley wieder sehen konnte, hielt Emily ihr eine Fotografie unter die Nase, die eine schöne Vogeldame zeigte. Oh – sie war es selbst.
Emily war wirklich ein Genie. Anscheinend hatte sie einen Weg gefunden, die Fotos fast augenblicklich zu entwickeln. Nun konnte sich Finley
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