Das Maedchen mit dem Stahlkorsett
wollte sie gewiss nicht noch einmal riskieren.
»Alles in Ordnung, Schätzchen?«
Sie blickte zu den besorgten Augen auf, die sie durch die Teufelsmaske betrachteten, und lächelte leicht. »Es ist überwältigend.«
Er nickte. »Versteh ich. So ’ne Menschenmenge macht mich auch manchmal rammdösig. Woll’n wir tanzen?«
Bevor sie antworten konnte, hatte er sie schon auf die Tanzfläche gezogen, legte ihr einen Arm um die Hüften und übernahm beim Walzer die Führung. Sie tanzten viel enger, als es sich gehörte, aber nicht nahe genug, um einen Skandal zu verursachen. Mr. Dandy wusste offenbar ganz genau, wo die Gren zen des Anstands verliefen.
»Ich muss schon sagen, Sie sehen wunderhübsch aus«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Finley erschauerte. »Vielen Dank. Es ist auch ein wunderschönes Kostüm. Sie hätten aber nicht so viel Geld ausgeben dürfen. Ihre Großzügigkeit macht mich verlegen.«
Er drückte ihre Hand. »Nein, sei’n Sie nich’ verlegen. Sie haben’s verdient, wie ’ne Königin behandelt zu werden. Eigentlich sogar von besseren Leuten als von mir, aber ich kann nun mal nich’ anders.«
Sie schluckte schwer. »Guter Gott, Sie wissen aber genau, was ein Mädchen gern hört, was?«
Darüber lachte er laut und fröhlich, übertönte vorübergehend sogar die Musik und warf den Kopf zurück. Im Umkreis einer Meile hatte ihn sicher jeder gehört. Finley sah sich um, ob schon jemand gaffte.
Ein großer und breitschultriger Mann, der maßgeschneiderte schwarze und weiße Abendgarderobe trug, starrte sie an. Das Licht der Lüster streifte das rotbraun schimmernde Haar.
Griffin.
Plötzlich fühlte sie sich, als wäre sie mit Nadelstichen aus einem tiefen Schlaf gerissen worden. Was tat er hier? Warum beobachtete er sie so? Und wer zum Teufel war die verwegen gekleidete Schlampe an seinem Arm?
Sie hatte einen unangenehmen Geschmack im Mund, der mit einem ebenso unschönen Gefühl einherging. Griffin Kings Leben ging sie nichts an, und es stand ihr kaum zu, über seine Begleitung zu lästern, wenn sie sich an der Seite eines Unterweltkönigs blicken ließ. Trotzdem, es gefiel ihr überhaupt nicht, ihn mit einem Zirkusmädchen zu sehen.
Wie sie an seinen zusammengepressten Lippen ablesen konnte, behagte es ihm wohl ebenso wenig, sie mit Jack Dandy tanzen zu sehen.
Was würde Emily zu alledem sagen? Die kleine Irin hatte Finley das Versprechen abgerungen, sie nach dem Ball zu wecken und ihr alle Einzelheiten zu berichten. Emily war von Jack und seinem durchaus selbstironischen Aufzug sehr beeindruckt gewesen. Andererseits gab es aber wohl sowieso nicht viele junge Frauen, die nicht auf die eine oder andere Art von Jack beeindruckt gewesen wären. Mindestens genauso viele flogen natürlich auf Griffin.
Immerhin, sie hätte ihren letzten halben Penny darauf verwettet, dass sie die einzige junge Frau war, die beide Männer gleich faszinierend fand.
Vor ein paar Augenblicken hätte sie noch nicht behauptet, dass ihre Gefühle für die beiden gleich stark waren. Beim Anblick Griffins und des Mädchens mit dem unmöglichen roten Haar war ihr altes Selbst wieder stärker in den Vordergrund getreten.
Sie riss ihren Blick von Griffin los und konzentrierte sich auf Jacks Krawatte. Das war die sicherste Stelle, die sie überhaupt anschauen konnte, wäre ihr Blick nicht unweigerlich nach oben zu dem entblößten Teil seines Halses und dann zu seinem Mund gewandert.
Er hatte ein kleines Grübchen. Warum hatte sie das noch nicht bemerkt? Wirklich, ein ausgesprochen niedliches Grübchen.
»Na, meine Hübsche, prägen Sie sich mein großartiges Äußeres ein, damit Sie mich nie wieder vergessen?«
Sie grinste ironisch. »Sie sind aber sehr von sich selbst überzeugt, Mister Dandy.«
Er legte den Kopf schief. »Sie dürfen mich ruhig Jack nennen.«
»Warum haben Sie mich hierher eingeladen, Jack? Immerhin haben Sie mir neulich gesagt, ich solle so weit wie möglich vor Ihnen weglaufen.«
Er zuckte mit den Achseln. »Vielleicht wollt’ ich nur mal sehn, ob Ihre Willenskraft stärker ist als meine. Ich hab Sie eingeladen, und Sie sind gekommen. Ich glaub, Sie könn’ mich gut leiden, Schätzchen.«
Sie errötete, doch irgendetwas drängte sie, bei ihm nicht die Schüchterne zu spielen. »Ich denke, Sie mögen mich , mein Herr.«
Er zog sie näher an sich. »Welcher Kerl, der ganz bei Sinnen ist, könnte Sie nicht mögen?«
Was sollte sie darauf sagen? Seine Worte ließen ein warmes, ein viel zu
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