Das Maedchen mit dem Stahlkorsett
werfen wie einen Sack Kartoffeln und dich den ganzen Weg bis Mayfair tragen. Ich hole dich nach Hause, weil du dorthin gehörst.«
Nach Hause. Wann hatte sie das letzte Mal das Gefühl gehabt, ein Zuhause zu besitzen?
»Oooh, dabei krieg ich ja ’ne richtige Gänsehaut«, spottete Jack, der hinter sie getreten war.
Mit glühenden Wangen drehte sich Finley zu ihrem dunklen Retter um, der ihre Reisetasche gleich mitgebracht hatte. Anscheinend war er rasch nach oben gelaufen und hatte ihre Sachen eingesammelt, während sie die Tür geöffnet hatte. Er hatte gewusst, dass sie mitgehen würde, wenn Griffin sie abholte.
Außerdem ließ er ihr sowieso keine Wahl.
»Geh’n Sie nur mit ihm, Schätzchen«, sagte er, bevor sie einen Ton herausbekam. »Ich will ja nich, dass er dauernd hier auftaucht, wann immer ihm danach is’. Hab ’nen guten Ruf zu verlieren.«
Es klang unbeschwert, aber sie kaufte es ihm nicht ganz ab. Zwar wusste sie, dass sie nicht in seine Welt gehörte, doch sie war auch traurig, sie so rasch schon wieder verlassen zu müssen.
»Danke.« Sie nahm ihm die Reisetasche ab und suchte seinen Blick. »Danke für alles.«
Er nickte nur und setzte dieses rätselhafte Lächeln auf, das sie so anziehend fand.
Dann drehte sie sich zu Griffin um, der ihr das Gepäck abnahm.
»Passen Sie gut auf sie auf«, sagte Jack. Es klang beinahe wie eine Drohung.
Griffin warf ihm einen harten Blick zu. »Bestimmt.«
Sie kam sich vor wie ein Knochen zwischen zwei hungrigen Hunden.
Finley drehte sich noch einmal kurz zu Jack um und winkte zum Abschied. Er salutierte und lächelte belustigt, ehe er die Tür schloss.
Griffins Dampfkutsche wartete vor dem Gebäude, war je doch nicht wie sonst mit dem herzoglichen Wappen ge schmückt. Offenbar wollte er es vermeiden, vor Jacks Haus Aufsehen zu erregen. Der Fahrer, der hoch über der Maschine am Steuerrad hockte, trug schlichte schwarze Kleidung statt der Livree der Greythornes.
»Hättest du mich wirklich hinausgeschleppt wie einen Sack Kartoffeln?«, fragte sie.
Er warf ihr einen boshaften Blick zu, und auf einmal bewegte er sich so schnell, dass sie nicht einmal richtig mitbekam, wie ihr geschah. Er bückte sich, schob ihr die Schulter in den Bauch und hob sie hoch. Nun hing sie quietschend auf seinem Rücken und konnte den Sitz der engen Hose an seinem Hintern bewundern.
Griffin schleppte sie zum Wagen und warf sie hinein, als wöge sie nicht mehr als ein Kind. Lachend sank sie auf das Polster, während er einstieg und sich ihr gegenüber niederließ. Er schloss die Tür und klopfte an das Dach, um den Fahrer wissen zu lassen, dass es losgehen konnte.
Hätte einer von ihnen aus dem Fenster geblickt, so hätten sie vielleicht den Mann bemerkt, der sie beobachtete. Es war nicht Jack Dandy, der finster herüberstarrte und gleich darauf in einer Gasse verschwand, um in eine Karosse zu steigen, die von einem Automaten gesteuert wurde.
Siebzehn
SIEBZEHN
S am hätte lieber Glassplitter gegessen, als sich bei Finley zu entschuldigen, zumal diese Verrückte ihn beinahe umgebracht hätte. Doch er hatte den Streit angefangen und versucht, sie zu töten, also waren sie seiner Ansicht nach wohl quitt.
Emily und Griffin waren allerdings wütend auf ihn. Er musste sie alle für diesen Schlamassel um Verzeihung bitten und bei Finley beginnen.
Außerdem musste er es möglichst schnell hinter sich bringen, weil sie später die Tunnel unter der Stadt erkunden wollten, und es kam nicht infrage, die anderen allein gehen zu lassen. Seine irrationale Angst, da unten könne ihm ein Automat auflauern, der ihn endgültig in Stücke riss, durfte ihn nicht davon abhalten – auch Griffin bewegte sich nicht gern in engen Räumen unter der Erde, und doch wollte er sich dorthin begeben. Sam wollte nicht der Feigling der Gruppe sein. Außerdem würde Finley mitgehen, und er wollte seine Freunde nicht mit ihr alleinlassen. Es war ihm egal, dass sie nun doch nicht die Schurkin war, für die er sie gehalten hatte – er hielt sie immer noch für äußerst gefährlich. Jeder, der ihn so leicht ausschalten konnte, war es wert, genau beobachtet zu werden.
Der Schnitt auf der Brust, der von Emilys Behandlung herrührte, war verheilt, als hätte sie die Haut niemals aufgeschnitten. Er legte die flache Hand darauf und spürte das stetige Pochen darunter. Es fühlte sich natürlich an, überhaupt nicht wie eine Maschine.
Als er am vergangenen Abend auf dem Boden des Labors gelegen und
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