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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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schwor sich Vardes. Während er an den Reihen der Männer entlang zurückritt, wurde ihm bewusst, dass die derzeitige politische Situation seine Nachforschungen nach Madeleine erschweren wenn nicht sogar nahezu unmöglich machen würde. In den wenigen freien Stunden, die er hatte, dachte er unentwegt an sie. Sie hatten inzwischen herausgefunden, dass in der Nacht, in der sie verschwunden war, zwei Bauern mit einem Fuhrwagen Châtillon verlassen hatten. Die Wagen und Karren wurden zwar bei der Einfahrt ins Schloss überprüft, nicht jedoch, wenn sie dieses verließen. Das war ein Fehler gewesen. Die Männer hatten Madeleine wahrscheinlich in ihre Gewalt gebracht, und es war anzunehmen, dass sie sie zu einem der Schlösser der Guise gebracht hatten. Unwillig fuhr er sich mit seiner Hand durch das dunkle Haar. Es fiel ihm nicht leicht, sich einzugestehen, wie groß seine Angst um sie war. Er hatte unauffällig alles in Bewegung gesetzt, um herauszufinden, wo Madeleine jetzt war, doch wenn nun der Krieg ausbrach, würde es nicht mehr möglich sein, etwas über ihren Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen, das wusste er.

Zehn Tage später

71
    S ie hatte sich aus ihrer Verbeugung erhoben und blickte abwartend zu der Königinmutter, die den bunt gefiederten Papagei auf der goldenen Stange mit Nüssen fütterte. Madeleine war der Medici inzwischen mehrmals begegnet, doch an diesem Tag, das spürte sie, war sie angespannter als sonst.
    Es verwunderte sie indessen nicht. Selbst in dem abgeschlosse nen Teil des Louvre, in dem Madeleine sich befand, hatten sich die schrecklichen Neuigkeiten längst herumgesprochen. Die Hu genotten hatten innerhalb von wenigen Tagen nicht nur Saint- Denis, sondern auch Lagny, Charenton, Porchefontaine und etliche andere Ortschaften um Paris herum eingenommen und alle Zufahrtswege zu Land und Wasser blockiert. Vor den Toren waren die Windmühlen von Saint-Denis in Brand gesetzt worden. Man hatte die lichterlohen Flammen bis in die Stadt sehen können.
    Die Angst der Menschen war auch im Palast spürbar. Ohne Verbindung nach außen würde man in Paris nicht lange überleben können. Man war eingekesselt von den Ketzern und musste noch dazu fürchten, im nahenden Winter Hunger zu leiden, denn mit den Mühlen brannte auch das Getreide.
    Überall in der Stadt war das Hämmern und Klopfen der Soldaten zu hören, die Schutzwälle und Tore verstärkten, und auf den Straßen patrouillierte die Bürgermiliz, die vom König bewaffnet worden war. Wie es hieß, versuchte die Medici, mit den Hugenotten zu verhandeln, doch die Wut der Pariser war ungehemmt. Mit Schaudern erinnerte sich Madeleine an den furchtbaren Vorfall vom Morgen. Gerüchte hatten sich breitgemacht, dass die wenigen Protestanten, die noch in Paris lebten, den Hugenotten draußen zu Hilfe kommen wollten und Reisigbündel in der Stadt verteilt hätten, um sie anzuzünden. Die aufgebrachte Menge und Miliz hatten daraufhin ihre Häuser gestürmt und sich auf sie gestürzt. Einem jungen Protestanten war es trotz seiner Verletzung gelungen, sich bis zu den Toren des Louvre zu flüchten, wo ihn die Leibgarden des Königs vor dem tobenden Mob in Schutz nehmen mussten. Madeleine hatte voller Entsetzen die hasserfüllten Schreie der Menschen gehört und durch das Fenster beobachtet, wie die Garden die Leute mit gezückten Lanzen zum Zurückweichen zwingen mussten. Ambroise Paré und ein anderer Arzt waren dem Protestanten zu Hilfe gekommen, der noch immer um sein Leben rang. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sich Madeleine für ihre eigenen Glaubensgenossen geschämt.
    Viele in der Menge hatten ein weißes Kreuz auf ihrem Hut getragen. Später hatte sie gehört, wie ein Diener einer der Zofen erzählte, dass es das Erkennungszeichen der Katholiken sei, ohne das man zurzeit seines Lebens nicht mehr sicher sein könnte.
    Es kam Madeleine seltsam vor, dass sich all diese Dinge nur wenige Schritte von ihr entfernt abspielten, während sie selbst sich in der Sicherheit des Louvre befand. Es ging ihr gut. Man hatte ihr ein Gemach zugewiesen, ja sogar einen Diener und eine Zofe zur Seite gestellt – was sie befremdlich fand –, und Ambroi se Paré sah noch immer regelmäßig nach ihren Verletzungen. Manch mal jedoch konnte sie den Lärm aus dem anderen Teil des Palastes hören, den sie zu ihrem eigenen Schutz nicht betreten durfte, und ihr wurde bewusst, dass sie auch hier nichts anderes als eine Gefangene war. Des Tages sehnte sie sich oft nach ihrer

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