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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Begebenheit sie so beschäftigte. Vielleicht beunruhigte es sie auch einfach nur, dass schon zum zweiten Mal jemand bei ihr aufgetaucht war, ohne dass die Wache etwas bemerkt zu haben schien. Seit der Schlacht von St. Denis wuchs ihre Besorgnis täglich.
    In der Nacht hatte sie seit Langem wieder den Traum gehabt – sie war erneut durch die Stadt gerannt, in der überall Männer kämpften. Dieses Mal war jedoch etwas anders gewesen. Sie hatte in aller Deutlichkeit einige Menschen erkennen können – den Herzog d’Aumale, der im blutigen Wams mit seinem Degen wie ein Schlächter auf der Straße gewütet hatte. Und seltsamerweise war ihr auch der Junge, der Neffe der Medici, begegnet, den sie in Éclaron davor bewahrt hatte, die Brücke zu überqueren. Er hatte geweint … Mit jedem Mal schien ihr der Traum ein neues Detail zu zeigen – wie die Stücke eines Mosaiks, die sich irgendwann zu einem Bild zusammensetzen würden.
    Grübelnd bog Madeleine mit der Wache um die Ecke des Flurs, als plötzlich am anderen Ende des Flurs die Tür eines Gemachs aufgerissen wurde. Eine kleine Gestalt stürzte heraus.
    »Hilfe! Hilfe!« Ein gellender Schrei hallte durch den Gang. Madeleine erkannte, dass es sich um Fôlle, die Lieblingszwergin der Medici, handelte.
    »So helft mir doch!«, schrie sie verzweifelt.
    Madeleine wollte zu ihr laufen, aber die Wache hielt sie fest. »Ihr bleibt hier.«
    »Nein!« Wut ergriff sie, dass man ständig in dieser Weise über sie bestimmte, und sie riss sich mit unerwarteter Kraft von ihm los. Mit fliegenden Röcken rannte sie zu der Zwergin.
    »Was ist passiert?«
    »Pierre … Pierre. Ich weiß nicht, was er hat. Ich glaube, er stirbt.« Fôlle schluchzte und zog sie mit sich in das Zimmer. Die Wache folgte ihnen.
    Sie brauchte nicht mehr als einen kurzen Blick auf den Zwerg zu werfen, um zu sehen, dass Fôlle die Wahrheit gesprochen hatte. Der Mann, der sich in der Mitte des Zimmers mit schrecklichem Stöhnen auf dem Boden wand, lag im Sterben. Madeleine fuhr zu der Wache herum. »Schnell, holt Monsieur Paré!«
    »Nein, ich habe Befehl, Euch nicht alleine zu lassen!«, erwiderte der Mann stoisch, dem jedoch auch der Schock ins Gesicht geschrieben stand.
    »Seht Ihr nicht, dass er stirbt!«, herrschte Madeleine ihn an. »Holt Monsieur Paré sofort! Oder wollt Ihr, dass man Euch dafür verantwortlich macht?«
    Widerstrebend lief der Mann los.
    Madeleine beugte sich besorgt zu dem Zwerg und griff seine Hand.
    »Könnt Ihr sprechen?«
    Pierre versuchte, etwas zu sagen, doch aus seinem Mund kamen nur gurgelnde Laute – er schien die Lippen nicht richtig bewegen zu können. Er stöhnte.
    Es zerriss ihr das Herz. »Ist ja gut, Pierre. Ruhig. Ganz ruhig. Gleich wird ein Arzt kommen und Euch helfen«, versuchte sie sanft beruhigend auf ihn einzureden, ohne sich ihre Angst anmerken zu lassen. Was konnte er nur haben? Ohne ihn loszulassen, drehte sie sich zu Fôlle, die weinend hinter ihr stand. »Hat er irgendetwas gegessen oder getrunken?«
    »Ich weiß es nicht«, stieß die Zwergin unter Tränen hervor. »Als ich kam, lag er schon auf dem Boden.«
    Suchend schaute sich Madeleine in dem Raum um. Erst jetzt fiel ihr auf, wie klein die Möbel waren. Sie schienen eigens für den Zwerg angefertigt worden zu sein. Auf einem verzierten Tischchen stand eine Flasche Wein mit einem halb gefüllten Glas. Ein schrecklicher Verdacht stieg in Madeleine hoch. Wo blieb nur Paré? Wenn er nicht bald kam …
    Sie sah zu Pierre, der sie verzweifelt anblickte. Dann begriff sie, dass es bereits zu spät war. Der Zwerg bäumte sich unter einem Stöhnen in ihrem Arm auf und röchelte – Blut trat aus seinem Mund. Seine braunen Augen schienen in die Weite zu schauen. Dann ging ein Zucken durch seinen Körper, und er erstarrte.
    Fôlle schluchzte auf.
    »Pierre!« Madeleine hielt entsetzt den leblosen Körper fest. Nein! Tränen traten ihr in die Augen.
    Im selben Augenblick hörte sie hinter sich Schritte. Menschen kamen in den Raum, doch sie drehte sich nicht einmal um. Irgendwann legte sich eine Hand auf ihre Schulter und schob sie sanft zur Seite.
    »Er ist tot, Madeleine!« Es war die Stimme von Ambroise Paré.

84
    P ierres Tod hatte Madeleine einen Schock versetzt. Wie sich herausstellte, war der Zwerg tatsächlich vergiftet worden. Der Verdacht habe sich bewahrheitet, als man den Inhalt der Flasche und den Rest des Weinglases untersucht habe, berichtete ihr Paré einige Tage später.
    Madeleine sah ihn

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