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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Achse herum und zog seinen Degen, als bereits mehrere maskierte Männer in Umhang und mit gezogenen Waffen auf sie zustürmten. Ihre Angreifer waren zu zehnt – sie selbst nur zu viert, aber die Enge des Wirtshauses und die schreienden Gäste, die hinter Tischen und Stühlen Schutz suchten, waren für sie von Vorteil. Die Männer konnten sie nicht alle gleichzeitig angreifen. Er hob die Waffe. Stahl flirrte durch die Luft und traf klirrend aufeinander. Vardes’ Puls raste. Überleben, das war das Einzige, was zählte. Seine Bewegungen wurden immer schneller, aber sie griffen ihn zur selben Zeit von zwei Seiten an. Er stieß mit dem Fuß einen Tisch um, der ihm als Verteidigungsbarriere diente, wich zur Seite aus, um abwechselnd einen Hieb nach rechts und links auszuführen. Es gelang ihm, seinen Degen in den Körper des Angreifers zu seiner Linken zu stoßen. Ein Sprung zur Seite rettete ihn dabei gerade noch vor einem tödlichen Angriff von rechts. Sein Arm wurde touchiert. Die Luft roch nach Schweiß und Blut. Vardes riss im Kampf gezielt einen weiteren Tisch um und sah, dass nur einige Schritte neben ihm Lescot getroffen worden war. Der Jüngste von ihnen – nicht einmal fünfundzwanzig war er. Die Wut verlieh ihm neue Kräfte. Erbarmungslos hieb er auf seinen Gegner ein, den er schließlich an der Kehle traf. Blut spritzte ihm entgegen, als der Mann vor ihm zu Boden stürzte.
    »Teufel noch mal, wir müssen hier weg«, rief Ronsard, der sich neben ihm nicht weniger erbittert gegen seine Angreifer zur Wehr setzte.
    In diesem Augenblick sah Vardes, wie auf der Schwelle einer der Männer unter seinem Umhang eine Pistole hervorzog. »Passt auf!«, schrie er Ronsard zu. Er bemerkte aus den Augenwinkeln, dass das Mädchen noch immer wie gelähmt neben einem der Pfeiler stand – genau in der Schusslinie –, und riss es mit sich in Deckung. Ronsard sprang ebenfalls mit einem Satz zur Seite.
    Die Kugel schlug nur knapp neben ihnen ein. Das Mädchen hatte nicht einmal aufgeschrien. Vardes blickte es kurz an, doch dann ließ er es sogleich wieder los, um auf die Beine zu springen.
    Ronsard hatte recht, sie mussten fliehen. Er schaute zu Clément, der auf der anderen Seite wie von Sinnen kämpfte. Ein Degen schwirrte durch die Luft auf ihn zu. Er parierte und führte über die Verteidigungsbarriere einen unerwarteten Hieb nach vorn aus. Dann versetzte Vardes dem Tisch vor sich einen kräftigen Fußtritt, sodass er seinen Angreifer mit Wucht traf und die ser taumelnd zu Boden stürzte, während er hinter sich auch schon die Tür aufriss.
    Mit einem Satz sprang er nach draußen. Ronsard und Clément taten es ihm nach. Es war kaum mehr als ein kurzer Augenblick des Vorsprungs, der ihnen vergönnt war, doch er reichte. Mit der jahrelangen Übung, mit der sie an die Flucht gewohnt waren, sprangen sie auf ihre Pferde und durchtrennten gleichzeitig mit einem Schlag ihres Degens das Zaumzeug. Erneut wurde ein Schuss hinter ihnen gezündet, doch sie rissen die Zügel zur Seite und stoben davon. Die Kugel schlug in die Stallwand ein.
    Ihre Verfolger, die erkannten, dass sie sie nicht mehr an der Flucht würden hindern können, stürzten zu ihren eigenen Pferden.
    Währenddessen stand auf der Schwelle zur Hintertür ein Mann und sah den Fliehenden ohnmächtig hinterher. Voller Wut ließ er seine Pistole sinken und riss sich die Maske vom Gesicht. Sie waren entkommen! Der Teufel selbst schien mit diesem Coligny einen Pakt geschlossen zu haben. Claude d’Aumale wandte sich zum Raum zurück. Jemand musste sie gewarnt haben, bevor er und seine Männer das Haus hatten umzingeln können. Er trat aufgebracht mit seinem schweren Stulpenstiefel gegen einen der umgestürzten Tische und stieß einen wüsten Fluch aus. Dann entdeckte er das Mädchen – eine Klosterschülerin! Sie stand mit bleichem Gesicht mit dem Rücken an einem der Stützpfeiler und starrte ihn an. Entsetzen, nein, Grauen spiegelte sich in ihren Augen. Ein tonloser Laut entrang sich ihren Lippen, bevor sie auch schon bewusstlos zu Boden sank.

21
    D ie Ohnmacht war tiefer und stärker als jemals zuvor, und es fiel ihr schwer, wach zu werden. Obwohl ein Teil von ihr das kalte nasse Tuch auf der Stirn spürte und sie die Stimmen um sich herum hören konnte, wollte ihr Geist nicht zurückkommen. Sie sehnte sich nach Ruhe und Geborgenheit, nach einem Ort, an dem nichts Schreckliches mehr passieren konnte. Um sie herum war eine wohltuende Helligkeit, die sie wie ein

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