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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Ihr als Äbtissin eines katholischen Klosters am besten wissen.« Er beugte sich kaum merklich ein Stück nach vorn. »Was mich zu der entscheidenden Frage bringt, hochwürdige Mutter. Wie konnte ein Mädchen aus der Obhut Eures Klosters von diesen anstehenden Festnahmen wissen?«
    Es war mehr als eine unterschwellige Drohung, die in seinen Worten schwang. Ihr Blick streifte das Kreuz an der Wand, und sie bat Gott, ihr Stärke zu geben, um sich von diesem Mann nicht einschüchtern zu lassen.
    »Ich weiß es nicht!«, sagte sie, obgleich sie ihre eigenen Vermutungen hegte, wie Madeleine in die Ereignisse hineingezogen worden war. »Vielleicht hat sie Eure Männer vorher gesehen und hat …« Sie kam nicht dazu, ihren Erklärungsversuch weiter auszu führen, denn er schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab.
    »Ganz sicher nicht. Außerdem muss sie diese Hugenotten vorher gekannt haben, sonst hätte sie sie schließlich nicht warnen können«, erwiderte er mit finsterer Miene.
    »Verzeiht mir, aber das kann unmöglich sein«, widersprach die Äbtissin. »Woher sollte sie diese Männer kennen? Sie hätte gar keine Gelegenheit dazu gehabt. Unsere Zöglinge verlassen nur selten das Gelände des Klosters und wenn, dann höchstens, weil sie den Markt besuchen oder einen Botengang für die Nonnen ins Dorf erledigen.«
    Seine Augen taxierten sie kalt. »Nun, wir werden die Wahrheit herausfinden, glaubt mir, hochwürdige Mutter. Sobald das Mädchen wieder bei Bewusstsein ist, werden wir uns mit ihm unterhalten!« Er hatte sich von seinem Stuhl erhoben und streifte seine Reithandschuhe über. Er war schon beinah bei der Tür, als er sich noch einmal zu ihr umdrehte. »Ihr seid damit einverstanden, dass einer meiner Männer Posten vor dem Krankenzimmer von Madeleine Kolb bezieht?«
    Sie blickte ihn ungläubig an. »Nein«, sagte sie scharf. »Dies hier ist ein Kloster – kein Gefängnis. Unter keinen Umständen werde ich die Anwesenheit eines Eurer Männer in diesen Mauern dulden. Ihr überschreitet allein mit einem solchen Ansinnen die Grenzen jeglichen Anstands und Respekts, die Ihr diesem Konvent schuldet!«
    Er neigte unbeeindruckt den Kopf, als hätte er keine andere Reaktion erwartet. »Nun gut. Ich werde Euren Wunsch respektieren und die Posten außerhalb der Klostermauern lassen. In Eurem eigenen Interesse empfehle ich Euch aber, gut auf das Mädchen aufzupassen. Lasst es mich sofort wissen, wenn sie wieder ansprechbar ist!«
    Margarète de Foix nickte wortlos, als er schon durch die Tür verschwand.

23
    D er Mann, der in der Dunkelheit das Kloster beobachtete, hatte die beiden Wachen gerade noch rechtzeitig bemerkt. Er wich eilig in den Schatten des Baums zurück. Die Anwesenheit der Männer bestätigte die Gerüchte, die er im Dorf gehört hatte. Sie hatten das Mädchen also wirklich zurückgebracht. Angeblich war sie nicht ansprechbar. Vermutlich hatte sie einen Schock erlitten. Er fragte sich, wie sie nur von dem Anschlag hatte wissen können.
    Dann begutachtete er erneut die Mauer. Sie war hoch, doch hinten bei den Nebengebäuden gab es genug Einkerbungen, die es ihm leicht machen würden, dieses Hindernis zu überwinden. Leise schlich er sich zu seinem Pferd zurück, entledigte sich seines Umhangs und Degens und holte für alle Fälle aus der Satteltasche ein Seil mit einem kleinen Wurfanker. Wenig später war er zurück und kletterte mithilfe des Stricks lautlos über die Mauer. Es war beunruhigend still auf dem Klostergelände. Im Schutze der Wirtschafts- und Nebengebäude lief er weiter zum Haupthaus des Klosters. Die Gemächer, die er suchte, befanden sich dort im Seitentrakt zum Garten gelegen.
    Ein Glockenschlag, der von der Kapelle herüberhallte, ließ ihn zusammenfahren – das Ende des mitternächtlichen Stundengebets! Er wich hinter den Mauervorsprung des Gebäudes zurück, als er von Weitem den Schein von Kerzenlicht sah. Eine Gruppe weiß gekleideter Nonnen, die auf dem Weg zurück ins Dormitorium war, huschte über den Hof.
    Er wartete, bis sie sich entfernt hatten, und ging dann weiter, um durch eine kleine Tür ins Innere des Gebäudes zu schlüpfen. Schritte nahten, und er glitt hinter einen der steinernen Pfeiler zu rück. Eine Gestalt im weißen Gewand, die Äbtissin des Klosters, nahte. Eine Novizin leuchtete ihr den Weg. Er blieb versteckt hinter dem Pfeiler stehen, bis sich die Schritte der beiden Frauen wieder entfernt hatten, dann lief er lautlos weiter nach rechts, dorthin, wo sich

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