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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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schützender Ko kon umhüllte. Plötzlich bekam das angenehme Licht jedoch einen unerwarteten Riss. Die Stimmen um sie herum wurden lauter. Sie fühlte ein scharfes Brennen in der Kehle und musste husten. Keuchend fuhr sie hoch – sie glaubte zu ersticken und war mit einem Schlag wach. Das rotwangige Gesicht eines Mannes, dessen Hemdsärmel hochgekrempelt waren, blickte auf sie herab. »Sag ich doch – das hat bisher immer geholfen«, sagte er. Er hielt einen Krug in der Hand.
    Sie fuhr sich mit der Hand über den Mund. Ein ekelerregender Geschmack haftete an ihren Lippen. Fremde Männer standen um sie herum und starrten sie an.
    »Wie heißt du?«, fragte der eine von ihnen barsch. Seine schrägen Augen hatten etwas Raubtierhaftes, und obwohl sie sich weder entsinnen konnte, was geschehen war, noch, wie sie hierhergekommen war, verspürte sie Angst. Ein ungutes dunkles Gefühl verband sich mit ihm, und sie brachte keinen Ton heraus. Er trug einen Umhang über seinen breiten Schultern, auf dessen Revers ein weißes Kreuz und ein Wappen gestickt waren – und er war bewaffnet. Genau wie die anderen Männer um ihn herum. Zwischen den Falten ihrer Umhänge konnte sie den Knauf ihrer Degen erkennen. Sie wirkten erschöpft, einige waren verletzt, und ihre Kleidung war staubig und zum Teil eingerissen, ja regelrecht zerfetzt, wie nach einem schweren Kampf. Ihr Blick glitt durch den Raum, in dem sich weitere Anzeichen dafür fanden: die umgestürzten Tische, das Blut und schließlich die leblosen Männer auf dem Boden. Das Bild kämpfender Gestalten blitzte vor ihr auf.
    Der Mann vor ihr hatte sie ungeduldig am Arm gegriffen. Sie sah die Ringe an seinen gepflegten Händen und ahnte, dass er mehr als nur der Anführer dieser Leute war. Hinter ihm stand ein blond gelockter Jüngling, der kaum älter als siebzehn Jahre sein konnte und voller Zorn die Hand ballte.
    »He, hast du die Sprache verloren? Du sollst uns deinen Namen sagen!«, befahl der Mann noch einmal. »Was hast du hier überhaupt zu suchen?«
    »Sie kommt von den Zisterzienserinnen«, mischte sich der Mann, der ihr die brennende Flüssigkeit eingeflößt hatte, ins Gespräch. Er war der Wirt, wie sie sich jetzt wieder erinnerte. »Sie war schon mal hier, um meiner Magd eine Medizin von den Nonnen zu bringen.«
    Der Mann mit dem weißen Kreuz auf dem Umhang musterte sie erneut. Etwas in seinem Blick ließ sie vor Furcht erstarren. Bruchstücke ihres Gedächtnisses kehrten langsam zurück. Er war mit seinen Leuten gekommen, um die anderen zu töten, vor allem den Mann, den sie Admiral genannt hatten … Und sie hatte sie gewarnt , entsann sich Madeleine. Mit Grauen erinnerte sie sich plötzlich wieder an die Vision. Sie hatte auf der Straße gestanden und die beiden Männer vor dem L’Auberge bemerkt, als sie die Bilder auf einmal sah: Maskierte Gestalten, die ins Wirtshaus stürmten, angeführt von dem Mann, der jetzt vor ihr stand. Voller Hass stieß er seinen Degen in den Rücken des Admirals und schnitt ihm anschließend mit einem Dolch die Kehle durch. Der Jüngling tötete den anderen und spie den beiden Leichen anschließend ins Gesicht. Für meinen Vater …
    »Die Kleine, sie hat die Männer gewarnt!«, war plötzlich eine laute Stimme zu vernehmen. Sie kam von einem der Gäste, die von den bewaffneten Männern auf der anderen Seite des Raums festgehalten wurden. Madeleine zuckte zusammen. Sie spürte, wie sich der Griff an ihrem Arm verstärkte. Die schrägen Augen vor ihr schienen sie zu durchbohren, und sie sah, wie der Jüng ling zu ihr herumfuhr.
    Ihr Herz raste, während ihr gleichzeitig schwindlig wurde. Schaudernd blickte sie in das kalte, von Wut erfüllte Gesicht des Mannes, bevor sie zum zweiten Mal die Besinnung verlor.

22
    » S ie hat hohes Fieber und ist sehr schwach, hochwürdige Mutter. Sie war einige Sekunden wach und ist dann sofort wieder in einen tiefen Schlaf gefallen«, teilte Schwester Philippa, die vor der Äbtissin stand, mit. »Es sind ihre Nerven. Wer weiß, was sie dort gesehen und miterlebt hat«, fügte die Nonne mit gesenkter Stimme hinzu.
    Margarète de Foix, die sich vom Fenster abgewandt hatte, nickte. Ihre innere Unruhe wollte nicht weichen. Noch immer sah sie die Szene vor sich, wie das Mädchen vor einigen Stunden von den Reitern zurück ins Kloster gebracht worden war. Man hatte die Ankunft der Pferde schon von Weitem gehört. Ängstlich, da in diesen Zeiten niemand mehr vor Übergriffen sicher sein konnte, waren

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