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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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jedoch, dass die Hugenotten sie vorher scheinbar wirklich nicht gekannt hatten.
    »Ich danke Euch für diese Information. Wir werden uns der Angelegenheit selbstverständlich sofort annehmen«, sagte er mit undurchdringlicher Miene.
    Señor d’Alava lächelte kühl. »Das dürfte wohl in unser aller Interesse liegen, Eminenz!«
    Als Charles de Lorraine den Botschafter kurz darauf verabschiedete, lag ein unergründlicher Ausdruck auf seinem Gesicht. Er befahl seinem Sekretär, seinen Bruder, den Herzog d’Aumale, rufen zu lassen.
    »Diesmal darf nichts schiefgehen!«, sagte er, nachdem er ihm berichtet hatte, was er von dem Spanier erfahren hatte.
    Der Herzog nickte. Seine schrägen Augen hatten sich leicht zusammengezogen. Es war schlimm genug, dass ihr Racheakt fehlgeschlagen war, dass sie diesen Umstand aber einer katholischen Klosterschülerin verdankten, war etwas, das sie und ihre Familie der Lächerlichkeit preiszugeben drohte.
    Seine breitschultrige Gestalt lehnte sich mit nachdenklicher Miene im Stuhl vor. »Wisst Ihr, ich denke ununterbrochen darüber nach, woher diese Madeleine Kolb von dem Anschlag wissen konnte. Wir haben diese Gaukler festgenommen, doch sie scheint ihnen nichts erzählt zu haben …« Er wandte den Kopf zu seinem Bruder. »Übrigens gehörte zu dieser Truppe auch ein Zwerg. Von wirklich beeindruckender Kleinheit. Suchtet Ihr nicht einen für den spanischen Botschafter als Geschenk?«
    Der Kardinal nickte. »Ja, in der Tat. Señor d’Alava ist verrückt nach diesen Kreaturen!«
    Der Herzog lächelte zufrieden. »Ich werde ihn Euch zukommen lassen … Glaubt Ihr, dass an der Geschichte dieser Oberin doch etwas dran sein könnte?«, nahm er dann den Faden ihres Gesprächs wieder auf.
    Der Kardinal zog die Brauen hoch. Er war einige Schritte durch den Raum gegangen. »Wollt Ihr damit fragen, ob ich an Hexerei glaube? Ob ich denke, dass diese junge Frau vom Teufel besessen ist?« Er zuckte die Achseln. »Es dürfte nicht schwierig sein, das herauszubekommen, wenn wir ihrer erst einmal habhaft geworden sind. Auf jeden Fall kann es unserer Sache nur dienlich sein, wenn sie genau deshalb verurteilt wird.«
    »Damit habt Ihr recht«, gab Aumale zu. Er spürte erneut, wie Wut in ihm hochstieg. Wäre ihr Plan aufgegangen, hätten sie Coligny und Condé beseitigt und wären wieder verschwunden. Sie hätten nur ein Zeichen hinterlassen, ein weißes Kreuz – das Symbol der Katholiken –, und jeder hätte sofort gewusst, dass sie, die Guise, ihre wohlverdiente Rache genommen hatten.
    Ja, diese Madeleine Kolb sollte öffentlich dafür büßen. Sein Bruder hatte recht, wenn man sie wegen Hexerei oder Dämonenbesessenheit anklagte, würde der Hof kaum eingreifen können – und doch würde jeder deutlich begreifen, was mit denen geschah, die wagten, die Pläne der Guise zu durchkreuzen. Ein erbarmungsloser Ausdruck stand in seinen Augen. Die Idee gefiel ihm!

55
    E s war offensichtlich, dass in Châtillon etwas vor sich ging. Täglich trafen Männer in kleinen Gruppen ein, die dem Admiral ihre Aufwartung machten. Oft waren sie als Bauern oder Handwerker verkleidet, doch in den Satteltaschen ihrer Esel und Pferde, die sie mit sich führten, hatten sie Waffen und Lebensmittel versteckt. Einige von ihnen zogen weiter gen Norden, nach Vallery, zum Anwesen des Prinzen de Condé, die anderen bezogen in den umliegenden Ortschaften Quartier, um weitere Befehle abzuwarten.
    Auf den ersten Blick schien das Leben in Châtillon dabei seinen ganz gewöhnlichen Lauf zu nehmen. Der Admiral wirkte, als wäre er allein mit der Verwaltung seines Landes und seiner Besitztümer beschäftigt. Er beschnitt höchstpersönlich die Rebstöcke seines Weines, schlichtete Streitigkeiten zwischen seinen Gefolgsleuten und zeigte sich regelmäßig beim Gebet oder ging mit seiner Frau und den Kindern spazieren. Niemand, der ihn so sah, hätte irgendeinen Verdacht geschöpft. Es war jedoch nichts anderes als ein bewusstes Täuschungsmanöver, begriff Madeleine, da dem Admiral und seinen Männern bewusst war, dass sie jederzeit von irgendwelchen Spähern des Königs und der Medici beobachtet werden konnten.
    Hinter den Mauern, im Inneren des Schlosses, war dagegen nur zu offensichtlich, welche Vorbereitungen die Hugenotten wirklich im Sinn hatten. Wann immer Madeleine die große Halle durchquerte, sah sie kleine Grüppchen von Männern zusammenstehen, die leise und mit ernster Miene miteinander diskutierten, und des Abends zog sich

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